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Shownotes

Links zu Episode 5:

Mr. BlindLive ist auf YouTube, Facebook, Instagram, Spotify und TikTok aktiv.

Der Postcast wird erstellt von der Beratungsstelle Barrierefreiheit: https://www.byak.de/digital-barrierefrei. Die Beratungsstelle wird gefördert von Bayern Barrierefrei: https://www.barrierefrei.bayern.de

Dennis Bruder ist Fachkraft im Test.Labor Barrierefreiheit der Werkstatt der Stiftung Pfennigparade: https://www.pfennigparade.de/

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Erdin Ciplak

Erdin Ciplak (Ausschnitt aus dem Interview): das Witzigste da ist immer, wenn ich Formulare finde, dann erhoffe ich mir ja auch mal, dass sie auch zugänglich sind, also PDF-Datei und witzig finde ich immer, wenn dahinter direkt steht in Klammern: „Nicht barrierefrei“. Ich denke mir so: Ich bin bis dahin gekommen und jetzt kann ich mir die PDF-Datei nicht zugänglich machen für mich selbst.

Alexandra Gödecke (Sprecherin - Anmoderation mit Musikuntermalung): Barriere? Los! Der Podcast für barrierefreie Lösungen im digitalen Raum.

Dennis Bruder: Hallo und willkommen zu unserer inzwischen fünften Folge von Barriere los. Dem Podcast zur digitalen Barrierefreiheit. Mein Name ist Dennis Bruder und ich bin Berater für digitale Barrierefreiheit in Bayern und heute spreche ich mit einem Gast, der für unseren Podcast echt wie die Faust aufs Auge passt. Er hat selbst eine Einschränkung, kennt sich mit digitaler Barrierefreiheit aus und ist ein absoluter Social Media Experte, denn er ist nicht nur User sondern auch Produzent. Sein Name ist Erdin Ciplak oder Mister Blind Live, wie er im Internet heißt und was Erdin so macht erzählt uns jetzt mal unsere Werkstattmitarbeiterin Alexandra Gödecke

Alexandra Gödecke (Sprecherin - Einspieler mit Musikuntermalung): Erdin Ciplak hat Soziale Arbeit studiert. Seit 2014 ist er mit als Mr. BlindLife auf Youtube, Facebook und Instagram aktiv. Sein Ziel ist es Brücken zwischen blinden, Sehbeeinträchtigen und sehenden Menschen zu bauen und Barrieren zu überwinden. Und das mit Erfolg: innerhalb eines Jahres hat Mr. BlindLife auf Tiktok 180 000 Abonnent*innen erreicht.

Dennis Bruder: Ja. Hi, Erdin. Grüß dich.

Erdin Ciplak: Hi. Hallo. Danke, dass ich hier sein darf.

Dennis Bruder: Ja. Freut mich, dass du hier bist. Du bist ja selbst ziemlich aktiv im Internet. Ich habe eine ganze Menge schon gesehen von dir und man kann dich fast schon als eine Art Influencer nennen. Du hast einen YouTube-Kanal und einen TIK-TOK-Kanal. Erzähle doch mal, wie es gekommen ist, dass du so viele Kanäle hast und was du da so machst.

Erdin Ciplak: Ja. Das ist eine lange Geschichte, aber kurz gesagt: Ich habe selbst eine Behinderung. Also: Ich bin ja gesetzlich blind und hatte damals eine schlechte Hilfsmittelberatung zu Beginn meines Studiums. Das war so der eine Punkt. Der andere Punkt ist, dass ich im Ausland gelebt habe ein Semester lang und da auch die eine oder andere tolle und nicht so tolle Erfahrung gemacht habe und dann mir irgendwann überlegt habe: Anhand dieser beiden Punkte muss ich mal selber im Internet aktiv werden, damit es vielleicht anderen Menschen später dann schon einfacher haben, was Hilfsmittel angeht, was Erfahrung angeht, auch die Erfahrung mit der eigenen Behinderung: Wie gehst du damit um? Und so weiter und so fort und ja so kam es dann dazu, dass ich auf YouTube aktiv geworden bin und mittlerweile auch auf TIK-TOK, was es halt auch so gibt, und was auch einigermaßen barrieremäßig halt auch zugänglich für mich ist mit meiner gesetzlichen Blindheit.

Dennis Bruder: Dann bist du ja voll in dem Trend aufgesprungen, der sowieso sich in den letzten Jahren eigentlich so stark ausgeweitet hat. Diese persönlichen Erfahrungsberichte und dann eben in Verbindung mit eben, da hast du eine totale Expertise im Endeffekt, weil du eben den Kanal auf dem aufbaust, was du sowieso jeden Tag nutzt. Ja…erzähle doch mal ein bisschen konkreter über deine Einschränkung. Du hast ein Restsehvermögen von, ich glaube ich habe es gelesen, zwei Prozent oder so. Vielleicht kannst du es mal kurz schildern.

Erdin Ciplak: Klar. Also: ich sage ja mal nicht, dass ich ganz blind bin, sondern gesetzlich blind oder illegal sehend oder wie auch immer, weil mit zwei Prozent gilt man halt als gesetzlich blind. Das bedeutet: Ich persönlich sehe meine Umgebung, aber ich sehe sie immer sehr, sehr verschwommen. So. Man kann sich das wie diesen Bokeh-Effekt vorstellen, wenn man so ein Foto schießt und der Hintergrund ist verschwommen. Nur bei mir ist quasi alles verschwommen und wenn ich ganz, ganz nahe rangehe, sage ich immer bei einer Zeitung kann ich die kleine Schrift nicht lesen, aber ich könnte mit Mühe noch die großen Überschriften lesen und ich hatte schon ganz viele Augenerkrankungen. Angefangen mit Grünen Star, Grauen Star, Netzhautablösung, Hauttransplantation, Linsen sind herausoperiert worden, ich habe so eine Art Silikonöl im Auge und so weiter. Also: Ich habe schon über fünfzig Augenoperationen. So die ersten sechs Jahre meines Lebens war ich eigentlich fast nur im Krankenhaus und dann wurde es Gott sei Dank von Stück für Stück halt ein bisschen besser. (Lacht).

Dennis Bruder: OK. Genau. Ich will jetzt gleich mal den Sprung zu unserem Digitalthema kriegen. Du hast ja gerade auch gesagt, dass du auch in deinen Kanälen immer darauf achten musst, wie barrierefrei die so zugänglich sind. Wie sind denn da so deine Erfahrungen bei zum Beispiel Kanälen wie YouTube oder TIK-TOK?

Erdin Ciplak: Also: Ich kann zum Glück irgendwie sagen, dass ich noch ein Restsehvermögen habe, denn wenn du vollkommen blind bist, dann bist du zum Beispiel auf diesen sogenannten Screenreader, also bei Apple ist das halt Voice Over oder bei anderen halt Talk Back oder Voice Assist, und die Apps sind halt nicht perfekt zugänglich. Also mit dem Screen Reader auf YouTube kann man gut benutzen, Instagram wird schon schwieriger und TIK-TOK, ja, ist auch super, super schwierig und ich mache das halt immer in Kombination mit der Vergrößerungssoftware auf meinem Smartphone oder Tablet oder PC und in Kombination mit Screenreader-Vergrößerung kann ich die Apps nutzen. Ja. Wobei das natürlich auch immer wieder ein bisschen schwierig ist. Ich sage halt immer: Wenn ich nichts sehen würde, dann bräuchte ich viel mehr Assistenz oder Irgendjemanden, der oder die für mich ja die Videos zurechtschneidet und auf TIK-TOK perfekt hochlädt. Bei TIK-TOK verhaut das auch mit jedem Update. Da wird eine Sache besser. Eine andere Sache wird schlechter. Was meine ich damit konkret? Wenn man mit einem Screenreader in einer App aktiv ist, dann gibt es ja immer so Schaltflächen oder Buttons, wo man ja mit dem Finger normal darauf tippt und mit Voice Over ist es halt so, man tippt einmal irgendwo darauf und dann muss es ja erst einem vorgelesen werden. Das heißt: Menüleiste, Profil, Benachrichtigung. Wenn man diese Dinge nicht beschriftet sind, also vom Entwickler zum Beispiel, dann heißt das immer: Taste, Taste, Taste und du weißt halt nicht, was ist denn das eigentlich, wo ich darauf tippen soll?

Dennis Bruder: Das heißt: Du hörst es dir manchmal in einem Screen Reader an so eine App, oder?

Erdin Ciplak: Absolut. Also: Bei mir hat es ja auch damit zu tun: In welchem Zustand ist gerade mein Auge? Weil zwei Prozent sind nicht konstant. Das heißt: Das ist tagesformabhängig und wenn ich beispielsweise noch draußen irgendwie jetzt ein TIK-TOK aufnehmen möchte, dann kann ich ja aufgrund der Sonne, also aufgrund der Umweltfaktoren, ja die App gar nicht mehr erkennen. Also: Das bringt mir mein restliches Sehvermögen auch nichts mehr. Wenn ich in einer App navigieren will, brauche ich halt, also ich benutze ein zweites iPhone, dann brauche ich halt Voice Over und das ist ziemlich blöd, wenn dann irgendwie nicht mehr angesagt wird: „Wo ist die jetzt Aufnahmetaste oder wo speichert man das dann jetzt ab?“ und dann hängt man natürlich ja, keine Ahnung, auf halb zwölf und denkt sich so: „Ja toll. Wie mache ich das jetzt?“ und wenn ich eine sehende Person dabeihabe, klar, dann übernimmt die Person das und da reichen auch schon Freunde, die ein paar Prozent mehr sehen können. Also halt Personen, die nicht mehr auf einen Screenreader angewiesen sind. Dann läuft das natürlich besser, aber auf der anderen Seite, ich will ja auch nicht immer von anderen Leuten abhängig sein. Ich glaube, das will keiner von uns. Man will ja möglichst alles selbstständig erledigen können und das ist ja das Wichtigste und deswegen ist es absolut wichtig, dass wir hier mehr Barrierefreiheit im digitalen Bereich haben. Also, dass die Apps einfach zugänglich sind für mich im speziellen Fall halt für blinde und sehbeeinträchtigte Menschen, also der Bereich, wo ich mich so ein bisschen auskenne.

Dennis Bruder: Was sind denn deine Erfahrungen, weil die Technik ist ja das Eine, aber die Bedienung oder die Redaktion ist das Zweite. Es gibt ja auch die Möglichkeit in Kanälen wie Instagram oder auch Facebook Alternativtext hinzuzufügen. Bist du da schon mal darüber gestolpert, dass es jemand gemacht hat? Weil ich glaube nämlich, dass das selten benutzt wird.

Erdin Ciplak: Ja. Es wird wirklich nicht so oft benutzt. Ich hatte letztens, das war so lustig, das war so ein Weingut aus Bayern, die mich über Instagram angeschrieben haben und meinten: „Hey, wir würden gerne Alternativtexte für unsere Bilder benutzen. Kannst du uns dabei mal helfen?“ Dann haben die aber einen Roman gehabt als Alternativtext, wo ich meinte: „Ihr habt zwar das gesamte Bild beschrieben, aber ihr müsst den Text ein bisschen kürzen.“ Das war relativ witzig, dass da wirklich so eine Firma auf mich zukam und meinte: Hey, wir wollen barrierefreier werden.“ So etwas erledige ich nicht so oft leider, aber ich freue mich natürlich immer wieder, wenn Leute von selbst darauf kommen und sagen: „Hey, ich will in diesem Bereich Alternativtext nutzen.“ Ich selbst nutze es natürlich, aber, ja, bei anderen ist es immer so ein bisschen schwierig.

Dennis Bruder: Ja. Es gibt ja auch theoretisch, wenn man sich ein bisschen einliest in die Alternativtexte, kann man so ein paar Richtwerte sich auch mal zurechtlegen. Das also, man sagt so zwischen 80 und 100 Zeichen sollte so ein Alternativtext lang sein und er sollte wirklich nur das beschreiben, was auf dem Bild ist. Also: Wir haben auch schon die wildesten Sachen erlebt, dass man irgendwie jedes kleinste Detail bis hin zur Farbe vom Pullover beschrieben bekommt, was ja eigentlich nicht unbedingt weiterhilft, außer es geht nur um den Pulli. Ja. Genau. Kannst du mir nochmal etwas anderes erzählen und zwar benutzt du ja wahrscheinlich eine ganze Menge technische Hilfsmittel gerade so im Bezug aufs Smartphone aber auch auf dem Computer. Was hast du da so?

Erdin Ciplak: Also: Meine Haupthilfsmittel auf einem Smartphone oder Computer sind erstmal eine Vergrößerungssoftware und halt ein Screenreader, also Zoom auf dem iPhone, das heißt einfach so, und Voice Over und damit decke ich eigentlich ganz, ganz viel ab. Also: Ich habe vorher zum Beispiel noch elektronische Leselupen gehabt und das sind auch so fünf, sechs Zoll-Displays mit einer Kamera verbaut, aber die Smartphones sind mittlerweile so gut geworden, dass ich so etwas gar nicht mehr habe und es gab mal die Idee, das hatte ich leider nur zum Test, eines elektronischen Fernglases, oder ein Monokular, was aber digital war. Ist leider nicht wirklich auf den Markt gekommen. Fand ich ein bisschen schade, aber dass man halt die Dinge nutzt, die ich nutze, und eine Braillezeile und so, was jetzt vielleicht die Zuhörer*innen interessiert, also: So etwas nutze ich gar nicht, weil die Blindenschrift oder die Brailleschrift habe ich zum Beispiel gar nicht gelernt aufgrund meines Restsehvermögens. Also: Läuft möglich alles über Sprache. Bei mir kann alles sprechen.

Dennis Bruder: Das alles hast du mir auch schon erzählt, dass ja eigentlich bei einer Seheinschränkung, die wirklich blinden Nutzern, die so spezielle Geräte wie eine Braillezeile nutzen, eigentlich ein relativ geringer Teil sind, sondern der Großteil wirklich eine mittlere bis starke Seheinschränkung einfach haben, so wie es bei dir ist. Das fand ich auch interessant. Das wusste ich gar nicht, weil oft in der digitalen Barrierefreiheit Menschen mit komplettem Sehverlust im Fokus stehen und der andere große Part fällt so ein bisschen ab, würde ich sagen.

Erdin Ciplak: Ja. Absolut. Du hast halt den Ganzblinden oder den Sehenden. Also: Da sieht man in den Apps zum Beispiel, dass diese vielleicht dann barrierefrei sind im Sinne von: Sind zugänglich mit dem Screenreader, haben dann aber nicht die Möglichkeit, den Text größer zu stellen oder zum Beispiel im sogenannten Dark-Mode oder was das Design der App einfach grauenhaft, also was über das System Schwierigkeiten damit haben und das ist also auch der Punkt: Man muss es sich so überlegen: Wenn man etwas barrierefreier macht, dann macht man das ja nicht nur barrierefrei für die jeweilige Gruppe von Menschen mit Behinderung, sondern man macht auch barrierefrei vielleicht, weiß ich nicht, für vielleicht ältere Menschen oder für Menschen, die vielleicht nicht so gut Deutsch können, sondern durch das gute Design der App relativ gut darüber navigieren können oder wie auch immer. Man muss halt immer nicht nur die jeweilige Behinderung sehen, wenn man das barrierefrei macht, sondern eigentlich immer überlegen: Man macht es immer für mehrere, ja, Gruppen von Menschen oder verschiedene Beeinträchtigungen gleichzeitig und das finde ich halt immer ganz wichtig, dass man das Ganzheitliche sehen sollte.

Dennis Bruder: Jetzt gibt es ja in Europa die Richtlinie, die öffentliche Stellen vor allem verpflichtet, Barrierefreiheit zu schaffen. Was ist da so deine Erfahrung? Ich meine, heutzutage läuft eine ganze Menge so über Onlineanmeldungen, -formulare…was hast du für ein Gefühl, wie sind wir da so aufgestellt? Hast du da oft frustrierende Erlebnisse oder gute Erlebnisse auch gemacht?

Erdin Ciplak: Ja. Also: Ich sage mal so: Ich lebe ja in Hamburg und bin ja oft auf der Hamburg-Behördenseite und die ist ja, naja, mal barrierefreier, mal nicht. Da sind überall Bilder und alles. Es ist halt ein bisschen durcheinander und das Witzigste da ist immer, wenn ich Formulare finde, dann erhoffe ich mir ja auch mal, dass sie auch zugänglich sind, also PDF-Datei und witzig finde ich immer, wenn dahinter direkt steht in Klammern: „Nicht barrierefrei“. Ich denke mir so: Ich bin bis dahin gekommen und jetzt kann ich mir die PDF-Datei nicht zugänglich machen für mich selbst, was ziemlich doof ist. Ich habe auch Erfahrungen in anderen Bundesländern, zum Beispiel aufgrund meiner Hochzeit, die ich jetzt vor einigen Wochen erst hatte, musste ich wegen einer bestimmten Urkunde, wie er mich in NRW irgendwo anmelden, weil ich halt in NRW geboren bin und da war die Seite ziemlich barrierefrei. Es war so einfach aufgebaut. Ich habe jetzt den Namen nicht mehr im Kopf. Es ging irgendwie um Heiratsurkunde und alles Mögliche und wie nennt man das Ledigkeitsbescheinigung… nein, Geburtsurkunde. So. So war das und es war so cool die Seite. Die war total einfach. Wenig Informationen, aber halt die wichtigsten Informationen und somit macht man, glaube ich, von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Erfahrungen. Ja und ich versuche da immer wieder Rückmeldung zu geben. Ich schreib denen E-Mails und sage: „Hey, das wäre voll wichtig, wenn man die PDF-Datei zur Antragsstellung von was auch immer barrierefrei wäre, aber naja, was soll man machen? Manchmal bekomme ich eine Antwort, manchmal nicht.

Dennis Bruder: Ja. Ich werde, das hat natürlich auch viel mit Selbstständigkeit zu tun. Das ist ja super, dass du das einfach selber gut machen kannst, wenn etwas wirklich barrierefrei ist. Wenn du jetzt sagst, dass du dann auch öfter so Feedback gibst…also: Du wendest dich dann an Seitenbetreiber oder auch an Apphersteller, hast du mir, glaube ich, mal erzählt, und du gibst denen mal direkt so ein Feedback. Wem hast du denn da schon so alles Feedback gegeben?

Erdin Ciplak: Also: Ich habe zum Beispiel mit der App Rotargo zusammengearbeitet oder bin immer noch im Testfeldprogramm bei dem. Das heißt: Ich versuche immer Feedback zu geben, im Sinne von „Funktioniert die Navigation?“ Also: Die Rotargo ist halt eine App für nicht nur für Blinde und Sehbeeinträchtigte, aber die legen halt den Schwerpunkt darauf, dass halt mehr Informationen angesagt werden und dann teste ich die jeweiligen Updates und gib dann immer Rückmeldung: „Hey. Das Menü sieht so und so aus. Habt ihr auch an die sehbeeinträchtigten Menschen gedacht für den Dark-Mode oder die Navigation führt mich ganz woanders hin. Das hat eine merkwürdige Route.“ Also: Ich schreibe quasi meinen Erfahrungsbericht und ich habe auch zum Beispiel mit Seeing AI zusammengesetzt. Also aktuell zum Beispiel hat Seeing AI das Problem, dass die Shorttextfunktion, also die sofortige Texterkennung auf dem iPhone 13 gar nicht funktioniert, direkt geschrieben. Da kam auch eine Antwort: „Das Problem ist trotzdem nicht behoben.“ Also: Ich bin sehr motiviert auch aufgrund meines eigenen Projekts Mr. Blind Live und ich schreibe die auch immer über Mr. Blind Live an, damit auch die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass die auch wirklich antworten, weil manchmal habe ich auch so das Gefühl, dass, wenn sich Irgendjemand meldet, dass sie sich auch gar nicht rückmelden. Die denken sich: „Ja komm, ist ja nur einer“ und das ist ja auch so das Ziel bei mir: Wenn ich halt durch die Community, die ich mir mit der Zeit aufgebaut habe, wofür ich auch sehr dankbar bin, dass ich glaube, dass das eine oder andere Mal dahinter auch ein größerer Druck steht, wenn sie dann mal diese E-Mail sich durchlesen, dann auch auf die jeweiligen Links klicken: „Oh. Warte mal. Der hat schon so ein paar Leute hinter sich. Oh. Vielleicht sollten wir doch mal etwas an der App machen.“ Also: Das ist auch so der Gedanke. Man braucht eine sehr starke Community, um auch etwas zu verändern.

Dennis Bruder: Du gibst ja einerseits persönlich Feedback, aber du bist ja auch im Team Usability. Kannst du mal etwas darüber erzählen? Weil es da auch ein bisschen darüber hinausgeht, was so die quasi Standardangaben der Digitalen Barrierefreiheit sind. Also: Die Richtlinien, die so existieren und dann das, was ihr da macht, geht ja in die Richtung Usability…

Erdin Ciplak: Genau. Da geht es halt darum, dass die, also das Team ist echt cool, die machen das auch sehr, sehr professionell und geben sich da sehr viel Mühe und sie geben ein sehr, sehr detailliertes Feedback zu den jeweiligen Internetseiten oder Apps oder was auch immer und ich gehöre zu den Personen, die das Ganze dann wirklich von Schritt zu Schritt testen und das wird nebenan mitprotokolliert. Also: Wie mache ich etwas? Wo versuche ich mich zuerst zu orientieren? Also: Wir hatten mal ein Projekt bei so einer Internetseite, wo es halt für so einen Autohersteller. Und ich fand es ziemlich cool, dass auch sehr für Blinde und Sehbeeinträchtigte irgendwie so grob, ja, verdeutlichen wollten und dann waren wir da, haben dann auch Feedback zur jeweiligen Internetseite gegeben. Dann ging es halt darum: Gibt es eine Bildbeschreibung? Ist es so ein Drop-Down-Menü? Kommt man da mit einem Screenreader rüber? Und so weiter und so fort und ich teste das halt im Detail und neben mir wird das dann mitprotokolliert und dann, ja, wird das zusammengeschrieben und dann gibt es da so eine Rückmeldung, was man dort verbessern kann. Es gibt schon viele andere Sachen, die wir gemacht haben, und da erhoffe ich mir natürlich auch, dass durch das Team „Usability“, dann wieder über eine andere Community professionelles Feedback kommt und die Internetseiten sich dann dementsprechend halt verbessern oder sich das auch zu Herzen nehmen, sagen: „OK. Wir machen das jetzt barrierefreier. Wir wollen das so, ist halt wichtig.“

Dennis Bruder: Also: Ihr testet das quasi mit verschiedenen Behinderungsbildern. Habe ich das richtig verstanden? Oder?

Erdin Ciplak: Also: Mein Bereich ist halt speziell Sehbeeinträchtigung, auch die gesetzliche Blindheit, dann gibt es noch andere Kollegen, die sind komplett blind. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob wir noch andere Beeinträchtigungen haben, weil ich schon länger da jetzt nicht mehr aktiv war und das Team sich auch immer wieder neu zusammensetzt und neue interessante Menschen dazukommen, aber mein Schwerpunkt ist halt wirklich das Thema „Blindheit und Sehbeeinträchtigung“… darüber Feedback zu geben.

Dennis Bruder: Aber ich glaube auch, das ist generell ein spannender Bereich, dieses Disability, weil ja durch den European Accessibility Act jetzt auch inzwischen gewisse Teil der Privaten Wirtschaft herangezogen werden, wie zum Beispiel so Geräte, wie Bankautomaten barrierefrei gemacht werden sollen. Bis gut ein langer Zeitraum bis 2035 wurde herausgehandelt, aber immerhin. Wie sind denn da so deine Erfahrungen mit so Alltagsgegenständen?

Erdin Ciplak: Ja. Das ist immer so eine Sache. Also: Bei meiner Bank kann man nicht mal Geld einzahlen über einen Automaten, aber egal, das ist eine andere Geschichte. Bei meiner Bank gibt es auch nur Braille-Beschriftungen und nicht mal eine Sprachausgabe. Man kann keinen Kopfhörer anschließen. Das ist wieder der Punkt, wenn nur an den Ganzblinden gedacht wurde. „Wir haben doch nur Braille gemacht… hier für einen Blinden ist doch alles super.“ Ja, aber wieviel Prozent können denn Braille? Nicht so Viele. Das ist dann wiederum nicht so cool oder auch jetzt ganz neu im, hier beim, also in Hamburg, bei dem Hamburger Verkehrsverbund, bei der Hochbahn gibt es jetzt eine neue digitale Anzeige, die jetzt Baustellenanzeige. Bei meiner Haltestelle habe ich letztens erst gesehen und dann habe ich extra mit meiner Hand, das glaubt ihr mir jetzt gar nicht, das gesamte Display abgefühlt, weil das war so auf Kopfhöhe das Ganze auf ein Meter sechzig, siebzig Höhe. Ich habe alles abgefühlt. Vielleicht gibt es da irgendwie einen Knopf, wo ich darauf drücken kann, aber nein. Dann denke ich mir wieder: „Für tausende Euro oder was weiß ich, wieviel das gekostet hat, dafür ausgegeben“ und dann steht jetzt doch noch in digital, wann, wo, welche Baustellen sind und der Blinde rennt dann trotzdem hinein. Ja. Wow.

Dennis Bruder: Ja da wäre auch immer ganz schön, wenn sich solche Hersteller auch mal mit Betroffenen auseinandersetzen und sich auch mal Feedback einholen.

Erdin Ciplak: Absolut. In Hamburg gibt es ja auch im, beispielsweise Moia, das ist ein Ride-Sharing-Dienst, und als die ihre App herausgebracht haben, war die halt jetzt null barrierefrei und für uns blinde und sehbeeinträchtigte Menschen ist Fahrradfahren schwierig, Scooterfahren schwierig. Unser Wright-Sharing-Dienst Dienst, wie so ein Sammeltaxi quasi, war dann natürlich super, super interessant. Abgesehen, das natürlich spitziger wie das normale Taxi, aber die App funktionierte nicht und die zum Beispiel habe ich angeschrieben und gesagt: „Hey. Können wir das nicht barrierefrei machen? Ich bin ein User.“ Ich bin kein Entwickler und daraufhin haben wir sogar geschafft, einen Tag einzurichten für Menschen, für Blinde und Sehbeeinträchtigte. Mit den Entwicklern haben wir uns ausgetauscht und nach einem, glaube ich, halbes Jahr hat es gedauert. Dann war die App einfach komplett barrierefrei und bei so etwas feiere ich wieder, wenn Unternehmen so wirklich sagen: „OK. Das ist eine ernste Angelegenheit. Das müssen wir jetzt machen. Oh. Das ist ja cool.“

Dennis Bruder: Ja, wow. Das ist ja regielich so ein Paradebeispiel dafür. So eine Kombination aus einer Seite der Digitalen Barrierefreiheit, aber das ist ja auch ein quasi Produkt für, also, das mich auch im Alltag total weiterbringt, weil du ja viel mobiler bist im Zweifel und wiederum für die ist halt ein Riesenvorteil, dass die sich die Zielgruppe erweitern. Also: Das ist so der Dreisprung, der fast schon ideal ist und wenn man dann auch noch mit Betroffenen das Ganze entwickelt, ja guter Punkt. Ja?

Dennis Bruder: Genau das war es dann auch schon, Erdin. Danke, dass du teilgenommen hast bei unserer…

Erdin Ciplak: Danke, dass ich dabei sein durfte. Es hat ja viel Spaß gemacht auf jeden Fall.

Dennis Bruder: Sehr gern. Wenn euch die Folge gefallen hat, lasst uns eine Bewertung da und folgt unserem Kanal. Wenn ihr selbst Fragen zur Digitalen Barrierefreiheit habt, geht auf die Webseite der Beratungsstelle Barrierefreiheit in Bayern. Den Link dazu findet ihr in den Shownotes. Da findet ihr auch alles Weitere zur Folge. Der Podcast wird gefördert vom Freistaat Bayern und ist Teil von Bayern Barrierefrei. Dann bis zur nächsten Folge von Barriere-Los.

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