Stand der Barrierefreiheit in Deutschland: Der neue EU-Prüfbericht im Fokus
Shownotes
Links zur Folge:
- Zweiter EU-Prüfbericht 2024 (Deutschland): Bericht der Bundesrepublik Deutschland an die Europäische Kommission zur Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen von Webauftritten und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen
- BFIT-Bund: Offizielle Website mit Informationen zu Aufgaben, Berichten und Veranstaltungen der BFIT-Bund (Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik)
- Monitoringberichte 2022–2024 der EU-Mitgliedstaaten: Übersicht der von den Mitgliedstaaten eingereichten Berichte zur Umsetzung der Web Accessibility Directive
Allgemeine Links:
- Veranstaltungen der Beratungsstelle Barrierefreiheit in 2024 - Darunter der Online Accessibility Day.
- Link zur Erstberatung der Beratungsstelle Barrierefreiheit
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Moderator: Dennis BruderGast: Alexander Pfingstl (BFIT-Bund)Einsprecher: Alexandra Gödeke
Das Interview als Transkript:
Alexander Pfingstl (Zitat mit Musikuntermalung)
Erstmal grundsätzlich gibt es keine Webseite, die 100 Prozent barrierefrei ist. Ich denke, das kann es auch nicht geben, weil wir zum einen in der EN oder in der WCAG entsprechende Anforderungen haben, die kann man ganz klar beantworten. Kontrast, den kann ich messen und dann ist das gut oder eben auch nicht. Aber es gibt ja auch andere Anforderungen, wo durchaus zwei Prüfer mit ihrer jeweiligen wirklich guten Expertise unter Umständen eine verschiedene Meinung vertreten können. Natürlich auch für öffentliche Stellen sind es ein bisschen die Herausforderung manchmal, dass sie vielleicht ein Prüfergebnis kriegen von einem Prüfer und dann bekommen sie irgendwann eins von einem anderen Prüfer und dann gleichen die sich nicht. Deswegen sagen wir eigentlich unseren öffentlichen Stellen, dass es ganz wichtig ist, dass sie sich mit dem Thema digitale Barrierefreiheit beschäftigen. Das Ziel ist auch, dass die Fehler immer, immer weniger werden. Wir sagen aber auch ganz klar, dass wir da nicht sagen können, ob sichergestellt werden kann, dass sie irgendwann mal eine Prüfung bekommen, wo wirklich drinsteht, null Fehler.
Alexandra Gödeke (Intro mit Musikuntermalung)
Barriere los! Der Podcast für barrierefreie Lösungen im digitalen Raum.
Dennis Bruder
Hallo und willkommen zu Barriere los! Dem Podcast zur digitalen Barrierefreiheit. Mein Name ist Dennis Bürger von der Beratungsstelle Barrierefreiheit in Bayern und nach einer kleinen Podcast-Pause im Jahr 2025 kehren wir mit dieser Folge mit einem Status-Update der digitalen Barrierefreiheit in Deutschland zurück. Wir sprechen nämlich heute über den EU-Prüfbericht zur digitalen Barrierefreiheit und darüber, wie Deutschland abgeschnitten hat. Dazu eingeladen haben wir bereits zum zweiten Mal in unserem Barriere-Los-Podcast Alexander Pfingstl von der BfIT-Bund, der Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik. Hallo Alexander, schön, dass du ein zweites Mal bei uns
Alexander Pfingstl
Ja, hallo. Bin ich gerne und freue mich. ein paar Fragen zu beantworten und vielleicht ein bisschen Wissen über den aktuellen Barrierefreiheitsstand weitergeben zu können.
Dennis Bruder
Es ist jetzt schon eine Weile her, seit wir zuletzt gesprochen haben. Und um das Gedächtnis unserer Zuhörenden noch einmal über dich aufzufrischen, haben wir noch mal einen kleinen Steckbrief von dir vorbereitet.
Alexandra Gödeke (Einspieler mit Musikuntermalung)
Alexander Pfingstl ist gelernter Industriekaufmann und von Geburt an blind. 13 Jahre lang arbeitete er in den Bereichen Customer-Relation-Management-Lösungen und Prozessanalysen für verschiedene Unternehmen. Seit 2020 verstärkt er die Überwachungsstelle des Bundes für barrierefreie Informationstechnik, kurz BFIT-Bund, mit seinem Fachwissen als IT-Experte.
Dennis Bruder
So, wir sprechen über den EU-Prüfbericht und... Vielleicht starten wir mit einer kurzen Einordnung. Was ist denn dieser Prüfbericht genau und warum ist er für Deutschland so relevant?
Alexander Pfingstl
Genau, also der EU-Bericht ergibt sich aus einer EU-Richtlinie 2102 aus dem Jahr 2016. Und in dem hat die EU-Kommission halt gesagt, jedes EU-Mitgliedsland muss alle drei Jahre einen Bericht über den Stand der aktuellen digitalen Barrierefreiheit. abliefern und zum ersten Mal musste dieser Bericht 2021 gemacht werden. Darüber haben wir hier schon mal gesprochen. Und jetzt gab es halt den zweiten, der eben über den Zeitraum 2022 bis 2024, also wieder über drei Jahre oder überhaupt mal über drei Jahre gemacht wurde. Der erste EU-Bericht ging ja quasi über ein beziehungsweise maximal zwei Jahre. Das lag daran, dass es der erste Bericht war und viele haben ja erst in 2021 angefangen zu prüfen. Deswegen sind es also wahrscheinlich so im Schnitt ein, anderthalb, vielleicht bei manchen Bundesländern zwei Jahre, die geprüft wurden. Wobei sich aber das Gros der Prüfung im Jahr 2021 befunden hat und jetzt hat man es eben nochmal gemacht oder überhaupt fortlaufend gemacht. Jetzt ist der Rhythmus immer drei Jahre, wobei jedes Jahr einzeln immer abgeschlossen betrachtet wird. Das heißt, man sieht das Jahr 2022, 2023 und 2024 und die Prüfungen, die wir und die Länder machen müssen, sind immer pro Kalenderjahr. Also für jedes Jahr gilt es quasi wieder von vorne los. Genau, und Deutschland ist eben, wie wir alle wissen, Mitglied der EU und entsprechend gilt diese Richtlinie auch für uns. Und ich glaube, wir sind dadurch, dass wir eines der größten Länder sind und auch der dicht besiedelten Länder sind, sind wir, glaube ich, eines der Länder in der EU, die die meisten Prüfungen machen müssen.
Dennis Bruder
Ja, der EU-Prüfbericht wird ja jetzt maßgeblich von euch, von der BFIT-Bund, mit erstellt. Erzähl doch mal, wie diese Rolle der BFIT-Bund genau aussieht und was dann auch deine Rolle im Speziellen ist.
Alexander Pfingstl
Wir als BFIT-Bund haben ja im EU-Berichtskontext quasi die Aufgabe, die ganzen Daten der Länder zusammenzufassen und auch einige Texte mit den Ländern zusammen abzustimmen. Der EU-Bericht hat ja diverse Kapitel. Kapitel 3 sind ja die ganzen Zahlen und die Analysen und dann Kapitel 2 und 5, das sind so Textteile und auch Kapitel 1 ist eine Zusammenfassung. Und das haben wir mit den Ländern zusammen abgestimmt. Das heißt, da haben wir Vorschläge gemacht und die Länder haben entsprechend dann daran mitgearbeitet, Kapitel 5, haben wir halt den Ländern verschiedene Fragen gestellt, die sie dann beantwortet hatten, wo dann eine Kollegen von mir entsprechend diese ganzen Antworten zu einem entsprechenden Text zusammengebaut hat. Ich habe mich tatsächlich dieses Mal beim EU-Bericht sehr maßgeblich um das Thema Statistiken gekümmert, also alles das, was Kapitel 3 ist. Wir mussten uns ein paar neue Sachen ausdenken für den EU-Bericht, in Anführungszeichen, weil wir ja jetzt am zweiten Bericht ja die... Vorgabe bekommen haben, dass wir den Fortschritt berichten sollen, bezogen auf die digitale Barrierefreiheit. Und das war natürlich von der EU relativ pauschal formuliert. Und ich hatte dann so ein bisschen die Aufgabe, zu überlegen, wie kann man das sinnvoll machen, ohne jetzt da zu viel zu machen, ohne vielleicht auch dann zu kleinteilig zu sein und zu versuchen, einen Weg zu finden, der diesen Fortschritt, so hoffen wir zumindest, einigermaßen auch noch verdaulich darstellt. Und das war so meine Aufgabe und natürlich auch dann das ganze Lesen der anderen Kapitel nochmal. Wir haben ja viel verwiesen auf den ersten Bericht. Wir haben also versucht, alles, was schon mal aufgeschrieben wurde, nicht nochmal aufzuschreiben, damit der Bericht kürzer wird. Er ist auch generell kürzer, weil wir dieses Mal die ganzen Rohdaten und die ganzen ausführlichen Daten zum EU-Bericht als Excel-Datein separat veröffentlicht haben. Bericht waren ja die Tabellen noch hinten als Anlage mit dran, das waren ja viele, viele Seiten und wir haben uns dieses Mal dazu entschlossen, das als Excel-Datei in Verfügung zu stellen. Deswegen ist es auch insgesamt kürzer geworden. Du hast danach den Prüfverfahren oder Vorgehen bei uns gefragt. Wie ich ja eben sagte, müssen wir das ja immer jahresweise machen, das heißt jedes Jahr müssen wir unsere Prüfungen machen, die uns eben zugeteilt wurden. Das sind also 10% der... der Stichprobe machen wir im Bund. Und das läuft immer so ab, dass wir im Herbst uns überlegen, wenn wir den prüfen möchten. Da gibt es ein paar Vorgaben von der EU, die wir beachten müssen. Dann stimmen wir das bei uns ab mit Gremien, also den Verbänden der Menschen mit Behinderung und unserem Ausschuss für barrierefreie Informationstechnik. Und dann fangen wir halt irgendwann an zu prüfen, meistens so Anfang, Mitte Januar. Vorher schreiben wir dann auch die Prüfer entsprechend an, stellen noch ein paar Fragen, die für die Prüfung wichtig sind und dann kriegen die das Ergebnis von uns und können dann sich auch von uns zu dem Ergebnis beraten lassen. Also wir versenden immer das Ergebnis mit einer Mail, wo auch mal ein bisschen was dazu drinsteht und eben halt auch die Möglichkeit, dass man sich bei uns melden kann. Dann machen wir einen Beratungstermin, dauert meistens so ein Stündchen. Da bereiten sich dann die jeweiligen öffentlichen Stellen darauf vor. Und dann erklären wir denen halt die Fragen, die sie haben. Sie geben dann entsprechend die Antworten. Das ist meistens so ein Mix aus redaktionellen und technischen Fragen. Und oft sind da auch eben Leute aus beiden Bereichen dabei. Das finden wir auch immer ganz gut. Sodass dann eigentlich am Ende so eines Beratungsgespräches, die Leute immer eine ganz gute Idee davon haben, was sie denn tun müssten, um entsprechend dann auch Barrieren auf den Webseiten oder in Apps zu lösen.
Dennis Bruder
Kann dann jede öffentliche Stelle unter diesen Prüfbericht fallen oder kann jede öffentliche Stelle getestet werden? Wie läuft da die Stichprobenziehung?
Alexander Pfingstl
Also grundsätzlich im Bund kann es durch jede öffentliche Stelle des Bundes sein, bei den Ländern ist es durch jede öffentliche Stelle des Landes. Bei den Ländern ist es so, dass die Länder das auf ihr Gebiet verteilen müssen. Also da muss geguckt werden, dass es gleichmäßig ist und es gibt eben von der EU zehn Dienstleistungskategorien, in die die Webseiten einsortiert sind und das soll man eben gleichmäßig verteilen. Im Bund ist es so, der Bund hat ja kein Land. Das heißt, wir haben ausschließlich entsprechend die Aufgabe, dass auf diese Dienstleistungskategorien, also zum Beispiel öffentliche Sicherheit, Bildung, Finanzen und Steuern heißen die, glaube ich, und so weiter. Also da gibt es diverse Kategorien. Da mussten wir selber die ganzen Webseiten zu Anfang mal einsortieren und jetzt... gucken wir halt, dass wir jedes Jahr entsprechend ungefähr gleich viel aus jeder Kategorie nehmen. Das klappt nicht immer ganz, weil es bei bestimmten Kategorien mehr Seiten gibt es, bei anderen weniger. Und außerdem sind ja auch manche Seiten ja auch für die Bürger ein bisschen interessanter als andere. Das heißt, wir versuchen natürlich auch im Bund immer darauf zu achten, dass wir Seiten auswählen, die für Bürger eine besonders hohe Relevanz haben. In den Ländern ist dieser Prozess teilweise auch komplett automatisiert. Wie gesagt, die haben ja auch mehr Vorgaben als wir. Von daher weiß ich nicht, wie da die Auswahl läuft, aber entsprechend so läuft sie bei uns jedes Jahr ab.
Dennis Bruder
Okay, dann kommen wir nochmal ein bisschen genauer zur Methodik. Nach welchen Kriterien werden denn die Webseiten geprüft?
Alexander Pfingstl
Also grundsätzlich gibt es erstmal zwei Arten der Überwachung. Es gibt ja die vereinfachte und die eingehende Überwachung. Die unterscheiden sich grundsätzlich erstmal im Wesentlichen in der Seitenauswahl. Die ist bei der vereinfachten Überwachung wesentlich geringer als bei der eingehenden Überwachung. Bei der eingehenden Überwachung versuchen wir auch immer Webseiten oder Apps dann auch zu prüfen, wo man auch so ganze Prozesse, wie es sich so ein Registrierungsprozess abbilden kann oder einen Antrag ausfüllen oder was auch immer sich dann entsprechend ergibt. Es gibt dann auch Wiederholungsprüfungen. Also jedes Jahr müssen wir aus dem Vorjahr mindestens 10 Prozent, maximal 50 Prozent der Webseiten oder Apps nochmal prüfen. Das machen wir natürlich auch. Grundsätzlich ist es so, dass wir bei der vereinfachten Überwachung uns alle 50 WCAG-Anforderungen, die in Abschnitt 9 der EN 301 549 stehen, angucken. Also alle A und AA-Erfolgskriterien der WCAG. Und bei der eingehenden Überwachung auch die Abschnitte 5, 6, 7, 12, bei EPS dann halt 11 und mit einbeziehen müssen. Das heißt, da sind es nochmal ein paar mehr Anforderungen geprüft werden müssen. Die kommen jetzt nicht immer alle zum Tragen logischerweise, weil vieles davon ist schon ziemlich speziell. Aber sie müssen halt geprüft werden, weil es ja einfach sein kann, dass es so ist. Und zum Beispiel in Abschnitt 7 der EN sind Anforderungen an einen Videoplayer aufgelistet und zum Beispiel die prüfen wir natürlich bei der eingehenden Überwachung, bei der vereinigten Überwachung nicht. Also da gibt es dann schon wirklich Unterschiede und außerdem werden auch bei der eingehenden Überwachung zwei Dokumente geprüft. Bei der vereinfachten Überwachung haben wir uns ja freiwillig dazu entschieden, ein Dokument mit dem PAC-Test zu prüfen, also ein PDF-Dokument. Genau, bei der vereinfachten Prüfung ist es so, dass Deutschland also wesentlich ausführlicher prüft, als es von der EU vorgegeben ist. Die EU hat ja nur gesagt, man soll auf Nichtkonformität prüfen, also finde halt einen Fehler und sage halt, die Webseite ist nicht konform. Das ist uns aber irgendwie ein bisschen zu einfach in Deutschland. Wir denken, dass bringt auch den öffentlichen Stellen nicht so viel. Und bei der eingehenden Überwachung ist es so, dass wir uns natürlich genau an die Vorgaben halten. Da gibt es dann auch wenig Interpretationsspielraum und die machen eben genauso, wie sie von der EU auch vorgegeben ist.
Dennis Bruder
Du hast gerade schon darüber geredet, dass ihr nicht nur Webseiten, sondern dass ihr auch Dokumente prüft. Und wenn ich es richtig verstanden habe, auch Apps. Sind das alle Kategorien, die ihr prüft? Also Webseiten? Dokumente, die dort eingebunden sind vermutlich und Apps nochmal extra von öffentlichen Stellen oder wie ist da die Verteilung?
Alexander Pfingstl
Genau, also es gibt von der EU quasi drei Vorgaben. Es gibt einmal eine Vorgabe für die vereinfachte Überwachung. Das sind die meisten Prüfungen, das ist die größte Zahl. Ich würde mal so über den Daumen schätzen, das müssten so irgendwas zwischen 80 und 90 Prozent der Prüfungen sein, die wir machen. Das sind die vereinfachten Prüfungen. Also in gesamt Deutschland, aber bei uns natürlich auch. Und dann gibt es halt noch die eingehenden Prüfungen. Das sind einmal eingehende Prüfungen von Webseiten und mobile Anwendungen. Mobile Anwendungen kann man nicht vereinfacht prüfen. Da gibt es nur eine eingehende Überwachung. Und die Dokumente sind bei uns bei allen drei Prüfungen erstmal grundsätzlich da. Das heißt, bei der vereinfachten machen wir es halt freiwillig. Bei der eingehenden ist es vorgeschrieben und eben bei mobilen Anwendungen auch. Wobei wir bei mobilen Anwendungen den Umstand haben, dass wir da relativ selten Dokumente finden, die wir prüfen können. Das heißt, die meisten Dokumente sind sozusagen bei den Webseiten, wenn wir da Prüfungen machen, zur Prüfung. Aber grundsätzlich verteilt sich das eben genau so, also vereinfacht und eingehend. Eingehend sind Webseiten und mobile Anwendungen. Und prinzipiell gibt es überall Dokumente zu prüfen, sofern wir denn welche finden. Wenn wir keine finden, dann können wir natürlich keine prüfen.
Dennis Bruder
Okay, dann kommen wir mal zu den Ergebnissen des Prüfberichts. Wie hat denn Deutschland abgeschnitten im letzten Jahr? Kann man dazu was ganz grob sagen?
Alexander Pfingstl
Also man kann für Deutschland schon sagen, dass es grundsätzlich so ein bisschen besser wird, ganz grob gesagt. Wer das genau wissen möchte, kann da entsprechend ja in den EU-Bericht gucken, in Kapitel 3. Oder wir haben auch bei LinkedIn mal einen Post dazu gemacht, da gibt es auch ein paar bunte Bildchen dazu. Also man kann schon sehen, dass es so ein bisschen Fortschritte gibt. Wir haben das mal so ein bisschen auf die WCAG-Prinzipien summiert, um das ein bisschen greifbarer zu machen. Und da gibt es schon in einigen Fortschritte, in anderen geht es ein bisschen auf der Stelle, aber es bewegt sich halt schon ein bisschen was. Das heißt, ein Fortschritt ist erkennbar, ein leichter sozusagen. Das lässt sich soweit erstmal für Deutschland auch sagen. Was natürlich nicht so gut rauskommt, ist natürlich, wie sich das dann für die Betroffenen wirklich auswirkt. Denn es ist ja auch nicht so, dass wenn eine Seite durch eine Prüfung durchgefallen ist, dass sie dann nicht benutzbar ist. Also wir reden ja immer von Blockaden. Das sind dann wirklich Dinge, wenn es die offene Seite gibt, dann kann man die Seite mit einer bestimmten Beeinträchtigung nicht benutzen. Also beispielsweise wenn die Tastaturbedienbarkeit nicht gegeben ist, dann können viele Menschen die Seite nicht benutzen, weil dann vielleicht bestimmte Interaktionen nicht gehen. Wenn jetzt ein Alternativtext für eine Grafik nicht vorhanden ist, dann ist es sicherlich schwierig und kann auch in bestimmten auch vielleicht zu größeren Verständnisproblemen führen, wird aber sehr häufig nicht dazu führen, dass ein Webauftritt nicht benutzt werden kann oder nur mobile Anwendung. Also ich denke, da ist man dann schon nochmal ein bisschen anders unterwegs. Und was der EU-Bericht auch nicht zeigen kann, aufgrund der Bewertungssystematik ist, wir haben es ja ganz oft so, dass wenn wir eine Prüfung machen, finden wir für eine Anforderung mehr als einen Fehler, weil wir uns halt verschiedene Seiten angucken und oftmals auf einer Seite oder auf verschiedenen Seiten auch dann mehrere Fehler pro Anforderung finden. Also was weiß ich, mehrere Bilder, die keinen Alternativtext haben oder vielleicht mehrere Stellen, wo man den Tastaturfokus nicht gut sehen kann oder sowas. Und wenn sich das jetzt reduziert auf, weiß ich, noch einen Fehler pro Anforderung zum Beispiel, dann sieht es ja im EU-Bericht immer noch gleich aus, weil der EU-Bericht sagt halt, hey, wenn eine Anforderung einmal nicht erfüllt ist auf einer Seite, dann gilt sie auch für den EU-Bericht als nicht erfüllt. Das heißt... Es kann halt sein, dass obwohl öffentliche Stellen Fortschritte machen, indem sie vielleicht bis auf einen alle anderen Fehler pro Anforderung behoben haben, dass man das quasi gar nicht sieht, weil das der EU-Bericht gar nicht darstellen kann. Das heißt, es ist in dem Fall halt dann vielleicht auch ein bisschen verzerrt. Das Nächste, was wir festgestellt haben im EU-Bericht, ist, dass die Reaktionszeiten oder die Wartungszyklen für Webseiten manchmal sehr, sehr groß sind. Wir stellen zum Beispiel fest, dass bestimmte Fehler, die umfangreicher sind, wenn wir zum Beispiel über Tastaturnavigation sprechen oder so, die man also nicht mal eben schnell beheben kann, dass das oft dann einen längeren Prozess mit sich bringt, dass das manchmal erst über einen Relaunch der Seite behoben werden soll oder dass das eben größere Arbeiten auf so den Webseitentemplates mit sich zieht. Und dadurch kommt es halt auch vor, dass, wenn wir jetzt Wiederholungsprüfung machen, jetzt die Wiederholungsprüfung vielleicht gar nicht unbedingt so viel besser sind als die normalen Prüfungen, weil so ein Jahr eben dann sich zwar erstmal nach einer ganzen Menge Zeit anhört, aber dann für die öffentlichen Stellen oftmals gar nicht viel Zeit ist, weil vielleicht müssen wir es ausschreiben, das Projekt und dann vergeht erstmal Zeit und so. Das soll das jetzt nicht alles entschuldigen und sagen, das ist alles gut, so wie es ist, aber es soll es auf jeden Fall ein bisschen einordnen. damit man eben auch weiß, warum sind manche Zahlen einfach so, wie sie sind. Also es wird sicherlich bei den öffentlichen Stellen sein wie überall anders auch. Es gibt öffentliche Stellen, die sind super motiviert und die machen auch mehr und die machen auch viel mehr, als der EU-Berichtsfortschritt so darstellt. Und es wird sicherlich auch öffentliche Stellen geben, die da einfach aus welchen Gründen auch immer andere Prioritäten haben, wo man dann halt eben dann vielleicht kaum Fortschritte feststellen kann oder nur eben sehr minimale.
Dennis Bruder
Ja, das hängt ja auch manchmal damit zusammen, dass auch öffentliche Stellen gerade auch teilweise längere Verträge mit Dienstleistern haben, wo es dann Systeme gibt, die sich vielleicht so in dem Vertrag gar nicht ändern lassen und dann müsste es erst neu ausgeschrieben werden. Es dauert alles ein paar Jahre, da haben wir auch schon Erfahrungen mitgemacht. Jetzt hast du über den Fortschritt geredet und vor allem darüber, dass es schon kleinere Fortschritte gibt in Deutschland. Kann man denn so ganz grob generell was darüber sagen, wie viel, sage ich mal, Prozent der Webseiten öffentlicher Stellen barrierefrei sind oder wie da überhaupt der Stand ist? Und dann vielleicht auch nochmal den Vergleich zur EU ziehen. Gibt es da eine Möglichkeit überhaupt, das zu vergleichen?
Alexander Pfingstl
Genau, also spannende Fragen, die du stellst. Erstmal grundsätzlich gibt es keine Webseite, die 100 Prozent barrierefrei ist. Ich denke, das kann es auch. nicht geben, weil wir zum einen in der EN oder in der WCAG entsprechende Anforderungen haben, die kann man ganz klar beantworten, zum Beispiel einen Kontrast, den kann ich messen und dann ist das gut oder eben auch nicht. Aber es gibt ja auch andere Anforderungen, wo durchaus zwei Prüfer mit ihrer jeweiligen auch wirklich guten Expertise unter Umständen eine verschiedene Meinung vertreten können. Und das ist natürlich auch für öffentliche Stellen so ein bisschen die Herausforderung manchmal, dass sie vielleicht ein Prüfergebnis kriegen von einem Prüfer und dann bekommen sie irgendwann eins von einem anderen Prüfer und dann gleichen die sich nicht und dann gibt es irgendwelche Unterschiede. Deswegen sagen wir eigentlich unseren öffentlichen Stellen ganz häufig, dass es ganz wichtig ist, dass sie sich mit dem Thema digitale Barrierefreiheit beschäftigen. Und das Ziel ist auch, dass die Fehler immer, immer weniger werden. Wir sagen aber auch ganz klar, dass wir nicht sagen können, ob sichergestellt werden kann, dass sie irgendwann mal eine Prüfung von uns bekommen, wo wirklich drinsteht, null Fehler. Eins plus, das wissen wir einfach nicht. Es hängt auch sicherlich davon ab, wie sich die Standards weiterentwickeln, auch wie sich die entsprechenden Techniken hier auch weiterentwickeln, die die Nutzenden haben, um es umzusetzen. Du hast es ja angesprochen, manchmal muss man vielleicht erst das Webseitensystem wechseln und so. Das passiert irgendwie nur relativ selten. Ich bin auch mal gespannt, tatsächlich, wie man es jetzt sieht. Wir hatten jetzt eine Wahl dieses Jahr. Es wird ja ganz viel geändert, auch so in Ministerienzuschnitten und so. Auch das kann natürlich sich auf die digitale Barrierefreiheit auswirken, dann für den nächsten EU-Bericht, in welcher Form auch immer, beides ist denkbar, dass wir entweder mehr Fortschritte sehen oder weniger, mal gucken. Und bezogen auf die Vergleichbarkeit mit anderen EU-Berichten, ich glaube, das ist relativ schwierig, weil die EU hat leider keine Vorgabe gemacht, wie genau so ein EU-Bericht aussehen muss. Also man kann sich die sich alle angucken, die sind alle bei der EU veröffentlicht in englischer Sprache. übersetzt, automatisiert. Den von Österreich kann man natürlich auch in Deutsch lesen, weil die haben den selber auch in Deutsch verfasst. Und wenn man sich die anguckt, stellt man fest, dass die Methodik, wie die Leute arbeiten und auch eben, wie sie es dann darstellen, ganz verschieden ist. Ich habe ja vorhin schon gesagt, dass ja 80 bis 90 Prozent der Prüfungen die vereinfachten Überwachung ausmachen. Ich habe ja gesagt, dass wir in Deutschland uns dazu entschieden haben, hier wesentlich ausführlicher heranzugehen. Und soweit ich weiß, sind wir auch die Einzigen, die das machen. Also in meiner Wahrnehmung ist es bisher so, dass viele oder alle anderen EU-Staaten bei der vereinfachten Prüfung automatisiert prüfen mit Tools wie Lighthouse oder Wave oder was auch immer es da alles gibt. Und dann halt entsprechend sagen, ja, die Webseite ist nicht konform und entsprechend dann das quasi für die EU so protokollieren in ihrem Bericht. Und das ist natürlich ein wesentlich undifferenzierteres Ergebnis als wir es haben, wo ja die Bundesländer und wir wesentlich mehr Ressourcen, Zeit und ja auch dann Mühe auch in die Prüfberichte selber stecken. Das heißt, das lässt sich quasi schwer vergleichen. Aber ich glaube, man kann überall so ein bisschen sehen, dass es so Trends gibt, manchmal nach oben. Ich glaube, in Österreich hatte ich mal gesehen, dass der Trend der Apps, genau wie bei uns, ein bisschen nach unten geht. Warum das dann genau immer der Fall ist, ist manchmal auch schwer zu sagen. Gerade bei mobilen Anwendungen kann es ja auch immer daran liegen, dass man zunehmend die Apps nicht mehr nativ programmiert, also nativ für iOS oder Android, sondern dass man sogenannte Frameworks verwendet, die dazwischen liegen, dass ich also einmal eine App schreiben kann, die dann auf beiden Betriebssystemen funktioniert. Die haben vielleicht nicht überall immer auch gut Barrierefreiheit implementiert. Manchmal stellen wir auch fest, dass es an den Betriebssystemen liegt, dass da auch noch Sachen nachgezogen werden müssen. Also auch Android und iOS sind ja nicht perfekt, was das ganze Thema angeht. Also da könnte man sicherlich relativ komplexe Analysen machen. Das Problem ist für uns natürlich immer so ein bisschen, wir wissen ja bei mobilen Erwendungen gerade ja nie genau, was da eigentlich ist. Also wir können in den Quellcode nicht gucken. Bei der Webseite kann man das sehen, da kann man sich den Quellcode anzeigen lassen. Da kann man so ein bisschen schauen, woran das denn liegen könnte, dass da Fehler drin auftreten. Bei mobilen Anwendungen ist das natürlich unmöglich, weil wir laden uns halt die App aus dem App Store runter oder aus dem Play Store und dann wird die halt geprüft und haben natürlich keinerlei Quellcode-Zufuhr. Das heißt, da kann man natürlich dann auch weniger Rückschlüsse daraus ziehen, warum vielleicht Dinge sind, wie es sind.
Dennis Bruder
Jetzt hast du gesagt, die EU-Prüfberichte, die gibt es ja zum Einsehen. Wir werden natürlich auch in den Shownotes den EU-Prüfbericht der BFIT-Bund verlinken und auch einen Link zu den anderen Prüfberichten setzen. Wenn man über diesen Vergleich spricht, gibt es dann auch einen Austausch bei der digitalen Barrierefreiheit zwischen den EU-Ländern? Und wenn ja, wie schaut der aus oder arbeitet jedes Land für sich?
Alexander Pfingstl
Also wir selber tauschen uns mit den ganzen deutschsprachigen Kollegen aus, also einmal mit Österreich, aber auch mit der Schweiz, die ja freiwillig einen EU-Bericht abgeben wollen. Ich weiß eigentlich nicht genau wann. Und seit neuestem auch mit Lichtenstein. Mit denen sind wir selber im Austausch und tauschen uns quasi da aber eher weniger über die Prüfung aus, sondern eher so über die Methodiken oder über so grundsätzliche Dinge, die wir wahrnehmen oder über so Best Practices, was man denn machen kann, um barrierefrei zu fördern. Denn soweit ich weiß, Österreich zum Beispiel prüft ja auch vereinfacht, vollständig automatisiert und da ist natürlich ein Austausch da relativ schwierig. Aber wir versuchen zumindest mit den anderen Kollegen uns über grundsätzliche Themen zu unterhalten und zu schauen, wie denn bestimmte Wahrnehmungen einfach sind, was jetzt Entwicklung angeht oder vielleicht auch was Sensibilisierung angeht oder auch das Verständnis von Barrierefreiheit bei öffentlichen Stellen. Da haben wir bei uns in Deutschland ja auch festgestellt, dass das durchaus besser geworden ist. Und wir sehen das auch in unseren Prüfungsberatungen oder allgemeinen Fragen, die wir bekommen. Wir haben ganz zu Anfang relativ viele Fragen bekommen, woher muss ich überhaupt Barrierefreiheit machen und seid ihr euch da sicher und so. Und dann gab es Fragen, ganz einfache Fragen, was sind so die technischen Grundlagen und wie funktioniert das eigentlich alles. Und mittlerweile bekommen wir tatsächlich relativ komplexe Fragen zum Thema Barrierefreiheit, wo es dann wirklich ans Eingemachte geht, wo man also dann schon sehr genau recherchieren muss und gucken muss, was wollen die eigentlich genau wissen. Also wir stellen fest, die Komplexität der Fragen nimmt zu, woraus wir dann auch im Bund schließen, was entsprechend auch dann das Wissen zur Barrierefreiheit zunimmt. Und wie ich es ja vorhin auch sagte, man darf ja mal nicht verwechseln, das ist ja durchaus, manchmal durchaus ja bei den öffentlichen Stellen großen Willen dazu gibt, auch barrierefrei zu verbessern, was dann eben ganz oft an so Randbedingungen manchmal auch so ein bisschen klemmt. Das kann die Zeit sein, das können Ressourcen sein, das kann das System sein, in dem sie da irgendwie auch erstmal sind für eine Weile. Also oftmals gibt es dann auch so eine gewisse Diskrepanz zwischen den Leuten, mit denen wir reden, die auch für die Seiten verantwortlich sind und dann auch denen, wie es am Ende des Tages aussieht. Also es ist ein ganz, ganz buntes Bild und Ich glaube, das ist auch wirklich wichtig, dass man das rausstellt. Die Welt ist im Bereich der Barrierefreiheit auf jeden Fall kein Schwarz-Weiß-Denken. Das ist wirklich sehr, sehr bunt und vielschichtig und alles ist nicht einfach zu beantworten.
Dennis Bruder
Ja, vielleicht können wir auch noch darüber reden. Ich weiß nicht, ob du dazu was sagen kannst. Den Sommer startet ja das BFSG, also das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz für private Unternehmen. Du musst gar nicht ins Detail gehen, aber weißt du schon, wie dort geprüft wird? Also welche Stellen dort beteiligt werden?
Alexander Pfingstl
Also es wird eine zentrale Markterwachungsbehörde geben, die wird hier in Sachsen-Anhalt angesiedelt. Und ich weiß auch nur, dass im BFSG drinsteht, dass es auch einen Bericht an die EU-Kommission geben soll. Aber ich glaube, das ist genau ein Satz im Gesetz. Wenn ich mich nicht irre, ich bin aber nicht ganz zur Firma und soweit ich auch weiß. wird die Marktüberwachung auch nur auf Anfrage prüfen. Also wenn ich mich als Betroffener dorthin wende oder die Schlichtung stelle, sich an die Marktüberwachung wendet und sagt, hier macht mal was. Also meines Wissens nach ist es nicht vorgesehen, wie bei der EU-Webseitenrichtlinie, dass pro Jahr eine bestimmte Anzahl von Webseiten oder Dienstleistungen allgemein, die unter das BFSG fallen, dass die geprüft werden. Das heißt, so eine in Anführungszeichen flächendeckende Prüfung wie wir sie momentan bei öffentlichen Stellen erleben, ist nach meinem Kenntnisstand für das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz so erst mal nicht vorgesehen aktuell.
Dennis Bruder
Ja, vielen Dank, dass du dazu auch was gesagt hast. Das ist jetzt ja nicht genau dein Gebiet oder euer Gebiet, aber es ist ja vielleicht für die Zuhörenden auch schon mal interessant zu hören, wie es ungefähr ausschauen könnte. Jetzt kommen wir noch mal zu einem, ja fast schon zum Ende des Podcasts, wenn wir so einen kleinen ... Blick nach vorne richten. Habt ihr auch Empfehlungen, die sich aus dem Prüfbericht ableiten lassen, die ihr jetzt öffentlichen Stellen weitergebt?
Alexander Pfingstl
Also keine allgemeinen, glaube ich. Ich glaube, die groß wichtige Empfehlung momentan ist, und das kann man leider nicht oft genug sagen, gerade auch aufgrund des BFSG, wächst dieser Barrierefreiheitsmarkt gerade unglaublich. Und es herrscht bei vielen Leuten so die Stimmung, dass man damit richtig Geld verdienen kann, einfach weil es auch im BFSG ja auch Sanktionsmöglichkeiten gibt. Und was wir erleben, ist, dass sowohl öffentliche Stellen als auch private Stellen von auch teils sehr unseriösen Anbietern kontaktiert werden, die denn dann was mit Barrierefreiheit verkaufen wollen oder so. Also dadurch, dass der Markt gerade größer wird und auch das Thema KI ja momentan in aller Munde ist, wird also ganz viel versucht von diesem Kuchen abzugreifen und wir können immer nur wieder alle Leute, die sich mit Barrierefreiheit wirklich beschäftigen wollen und oder müssen einladen auch auf unsere Webseite zu gucken. Wir haben ja Publikationen. verfasst. Zum einen zum Thema, wie soll so ein Barrierefreiheitsbericht aussehen, was muss da alles drinstehen? Da haben wir was zu veröffentlicht und wir haben auch was dazu veröffentlicht, wenn man jetzt eine Ausschreibung macht oder das lässt sich auch übertragen, wenn ich jetzt eine Firma bin und ich möchte Barrierefreiheitsleistungen einkaufen. Im Programmierumfeld, worauf muss ich da eigentlich achten und was ist wichtig, alles mit einzuschreiben? Dann dieser Begriff Barrierefreiheit, ist in keiner Weise geschützt und jeder kann halt sagen, ich bin Barrierefreiheitsexperte. Und wir merken, das war schon immer nicht einfach rauszubekommen, ob das jetzt irgendwie wirklich Experten sind oder nicht. Und wir sehen aber eine Entwicklung dahingehend, dass das für die Leute, die wirklich Experten brauchen, weil sie auch einen ganz, ganz großen Willen haben, das Ganze umzusetzen, aber selber nicht das Know-how haben, dass es für die nicht einfacher wird, tatsächlich gute Leute zu finden, die es ja auf jeden Fall gibt, die dann das Thema so begleiten können, dass sie dann das Geld, was sie dafür ausgeben, hinterher auch wirklich richtig ausgeben. Denn was natürlich immer das Schlimmste ist, wenn dann Leute total motiviert sind und sagen, jo, sie machen Barrierefreiheit und dann geraten sie an jemanden, der das dann nicht so richtig gut kann. Und dann kommen vielleicht wir als Überwachungsstelle bei einer öffentlichen Stelle oder es gibt vielleicht eine Beschwerde bei der Marktaufsicht im Umfeld des BFSG. Und dann stellt sich raus, oh, das ist alles gar nicht so toll. Und dann sind diese Menschen die eigentlich total motiviert gestartet sind, plötzlich total desillusioniert war sie. vielleicht falsch oder nicht umfassend genug beraten wurden, dann verlieren die Lust an dem Thema und das wäre natürlich total schade. Also von daher ist unser ganz, ganz großer Tipp gerade, informiert euch wirklich gut darüber, mit wem ihr zusammenarbeitet, hinterfragt das alles ein bisschen, lasst es euch auch nachweisen über Referenzen, Zertifikate, was auch immer, sodass ihr wirklich ein gutes Bild habt, wer da wirklich euer Partner sein möchte im Bereich der Barrierefreiheit. Und im Zweifelsfall fragt es ein bisschen rum, vielleicht in der Community oder auch bei anderen Firmen oder anderen öffentlichen Stellen und guckt einfach, ob man von denen schon was gehört hat und wie denn so die Erfahrungen waren. Das ist wirklich gerade ganz, ganz wichtig, sonst hat man da vielleicht hinterher Frust, den man eigentlich gar nicht haben möchte.
Dennis Bruder
Ja, die Erfahrung machen wir auch immer wieder, dass wir ja, und das ist auch ein kleiner Aufruf jetzt an die Zuhörenden, wir sind ja selbst eine Beratungsstelle, das heißt, wenn Sie jetzt als öffentliche Stelle auch Fragen haben, und eine Einschätzung vielleicht auch mal zu einer Herangehensweise oder zu einem Dienstleister wollen, können Sie sich auch gerne bei uns melden und wir können da schon mal beraten. Unser Angebot gilt jetzt für Bayern, aber es gibt ja auch andere Beratungsstellen oder Landesfachstellen in anderen Bundesländern. Und da sich vielleicht auch mal Hilfe einzuholen über die öffentlichen Stellen in Bayern, die dort einfach in der Beratung unterstützen können. Und ja, unsere Erfahrung ist natürlich auch, dass die Spannbreite auch der Fragen ganz groß ist. Manche werden da beraten von Agenturen oder von Dienstleistern, dass es ja schon reicht, eine einfache Installation von irgendeinem Overlay zu machen oder von irgendeinem Programm. Und schon ist man barrierefrei und dann gibt es jetzt ganz viele Agenturen auf dem Markt, die Barrierefreiheit vielleicht automatisiert testen wollen nur und einen da beraten wollen und dann gibt es tiefere. Also da lohnt es sich tatsächlich sich selber auch einzuarbeiten in das Thema, um es besser einschätzen zu können oder auch beraten zu lassen.
Alexander Pfingstl
Genau, vielleicht noch mal eine wichtige Info. Wir haben gerade eine Veranstaltung gemacht zum Thema Barrierefreiheitsfunktionen von Betriebssystemen. Sie hatten einen längeren Titel gehabt, da ging es einfach darum, können Overlay-Tools Menschen wirklich helfen? Und da haben wir auch praktisch gezeigt, welche Barrierefreiheitsfunktionen gibt es eigentlich in Betriebssystemen und welche Vorteile haben die auch, weil die Menschen nutzen ja ihr... Ihr Gerät, also Ihr Computer, Ihr Tablet, Ihr Smartphone ja nicht nur für eine Webseite, sondern ja auch für den Rest Ihres Lebens... E-Mails schreiben, shoppen, was auch immer. Deswegen sollte natürlich alles barrierefrei funktionieren. Und deswegen braucht man auch übergreifende Einstellungen auf seinem Gerät, die einem dann überall auch weiterhelfen. Also ich muss halt überall die Schriftgröße haben oder ich muss überall den Dark Mode nutzen oder was auch immer machen. Und deswegen finden wir, dass eben Einstellungen, die nur für eine Webseite gelten oder nur für Webseiten gelten, halt dann auch immer ein bisschen mit Vorsicht zu genießen sind. Aber da kann man sich gerne bei uns auf der Webseite umschauen. Ich denke mal, wenn der Podcast rauskommt, ist es hoffentlich schon da. Also es sollte so Mitte, Ende Mai bei uns veröffentlicht sein, dann kann man das auch entsprechend sich ansehen. Und das Thema KI, ich will das gar nicht verteufeln. Ich denke auf jeden Fall, dass das Thema KI total viel Potenzial hat, auch das Thema Barrierefreiheit, sowohl was die Hilfe angeht für Menschen die eine Beeinträchtigung haben, als auch was Hilfe angeht für Menschen die Content erstellen wollen oder irgendwas anderes erstellen wollen. Was, glaube ich, ganz wichtig ist, was eben nicht gehen wird, ist, dass man dieses Thema Barrierefreiheit an die KI outsourced, dass man sagt, hier, liebe KI, hier hast du was und jetzt machst du das barrierefrei und ich muss mich nicht drum kümmern. Das, glaube ich, ist der falsche Ansatz und das wird meines Erachtens nach nicht funktionieren. Aber KI-Unterstützung sowohl für Ersteller von irgendwelchen Dingen als auch für Konsumenten von irgendwelchen Dingen, das sehen wir ja zum Teil schon, das gibt es ja schon und das halte ich auch für durchaus vernünftig in bestimmten Situationen, in bestimmten Bereichen, aber eben halt dieses Outsourcing nicht. Und das ist ja das, was du ja auch sagtest, was ja manchmal versprochen wird, dass es heißt so, hey, wir können mit KI deine Dokumente barrierefrei machen und du musst dafür nichts tun. So eine E-Mail habe ich schon gekriegt und es ist natürlich irgendwie klar, dass das dann vielleicht eher ein bisschen schwierig ist.
Dennis Bruder
Ja, ich glaube gerade im Bereich KI, ich meine, da gibt es ja Programme, die sich jetzt auch schon wirklich detailliert mit digitaler Barrierefreiheit, zum Beispiel bei Sprache auch oder halt überhaupt nicht Barrierefreiheit beschäftigen und dann sagen, dass man einfach zum Beispiel Texte in Leichte Sprache durch KI übersetzen kann. Und das ist im Endeffekt auch das Gleiche. Da sind wir einfach nicht oder vielleicht kommen wir auch nie zu dem Punkt, dass das vernünftig gemacht werden kann, weil gerade bei so etwas wie Leichter Sprache braucht man ja noch die Zielgruppe, die es gegenprüft. Und das ist ja in vielen Bereichen der digitalen Barrierefreiheit auch so. dass der Menschen da einfach eine ganz entscheidende Rolle noch im Verständnis spielt, gerade für Menschen mit Behinderung. Aber das ist auch schön, finde ich, und da leistet jeder dann auch eine Aufklärungsarbeit, dass man einfach Leitplanken und Hilfestellungen gibt, wie man denn den Computer auch durch Einstellungen bedienen kann, damit auch überhaupt erstmal das Wissen aufgebaut wird bei den Leuten. Weil klar, so eine Installation auf so einer Webseite, Von einem Overlay zum Beispiel, das kann jetzt für Leute was bringen, die sich aber selber gar nicht gut genug mit ihrer eigenen Behinderung oder Einschränkung auskennen, sondern die dann zufällig darauf stößt, okay, ich sehe eigentlich schon die ganze Zeit seit Jahren schlecht, weiß aber gar nicht, wie mir zu helfen ist. Und das ist ja auch ganz schön, dass ihr da auch Hilfsangebote zur Verfügung stellt.
Alexander Pfingstl
Ja, auf jeden Fall. Wie gesagt, das Thema KI kann ich viele Dinge beschleunigen. Du hast auch gerade KI-Übersetzung und leichte Sprache angeschnitten. Sicherlich gibt einem das eine gute Basis und man muss eben nicht auf dem leeren Blatt Papier anfangen zu schreiben. Das hilft vielen Menschen sicher weiter. Aber wie du sagst, man muss es eben sich selber angucken und das ist eben wie überall. Es gibt Anwendungsszenarien, wo eine KI einfach Dinge beschleunigen kann, weil es mir bestimmte Dinge einfach abnimmt. Und es gibt einfach andere Dinge, da ist es halt begrenzt hilfreich. Das wird sich immer verändern und wir sollten einfach immer einen kritischen Blick darauf behalten, was da wirklich passiert. Wie gesagt... Man kann dieses Thema aber niemals einfach abgeben und sagen, jetzt mach du mal. Also das ist meine persönliche Meinung, auch gesellschaftlich wäre das total fatal und bringt uns, glaube ich, in keiner Weise weiter.
Dennis Bruder
Ja, Alexander, vielen, vielen Dank, dass du nochmal mitgemacht hast bei einer zweiten Folge. Vielleicht kommt es ja irgendwann nochmal zu einer dritten Folge. Und dass du uns so fundierte Einblicke auch über den aktuellen Stand... in Deutschland gegeben hast. Ja, vielen Dank.
Dennis Bruder (Outro mit Musikuntermalung)
Das war es dann auch mit dieser Folge Barrierelos, dem Podcast zur digitalen Barrierefreiheit. Wenn Sie mehr über die Arbeit der BFIT Bund erfahren wollen, schauen Sie doch mal auf die Seite www.bfit-bund.de und dort finden Sie weiterführende Infos zum Prüfbericht und viele andere Themen rund um digitale Barrierefreiheit, unter anderem auch Webinare, die schon veröffentlicht sind oder auch noch veröffentlicht werden. Die Bfit Bund betreibt auch einen LinkedIn-Kanal, wo Sie auf dem aktuellen Stand bleiben können. Wenn Ihnen die Folge gefallen hat, dann würden wir uns sehr über ein Like oder über das Teilen unseres Podcasts folgen. Abonnieren Sie gerne unseren Kanal und dann bis zur nächsten Folge von BarrierenLos.
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