Wie verankert man digitale Barrierefreiheit im Unternehmen?

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Veranstaltungen: Die angesprochene Sprechstunde zur digitalen Barrierefreiheit finden Sie im Veranstaltungskalender der Beratungsstelle Barrierefreiheit.

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Moderator: Dennis BruderGästin: Nina GerlingSprecherin: Alexandra Gödeke

Nina Gerling (Zitat mit Musikuntermalung)

Vor allem vorneweg erst einmal, bitte fangt damit nicht erst immer im Nachgang an. Also zumindest wenn neue Projekte angefangen werden, dann bitte, bitte das von Anfang an mitdenken. Es wird umwelten teurer, wenn man bei RFID erst im Nachgang versucht, wieder ranzuklöppeln sozusagen, als wenn das konsequent als einfach auch Qualitätsmerkmal von Anfang an mitgedacht wird. Und dann finde ich es sehr, sehr wichtig, dass es wirklich eine Entscheidung ist, die von oben getragen wird. Wenn von zum Beispiel einer Geschäftsführung aus eine ganz klare Aussage kommt, ja, wir sehen das Thema als wichtig an, wir priorisieren dieses Thema, wir geben die entsprechenden Ressourcen frei.

Alexandra Gödeke (Intro mit Musikuntermalung)

BarriereLos, der Podcast für barrierefreie Lösungen im digitalen Raum.

Dennis Bruder

Hallo und willkommen zu BarriereLos, dem Podcast zur digitalen Barrierefreiheit. Mein Name ist Dennis Bruder von der Beratungsstelle Barrierefreiheit in Bayern und es ist nun Juni 2024 und in ziemlich genau einem Jahr, nämlich am 28. Juni 2025, tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz in Kraft. Ein Gesetz, bei dem erstmals auch Unternehmen verpflichtet werden, digitale Barrierefreiheit in Dienstleistungen anzubieten. Und aus diesem Grund versuchen wir in unserem Podcast immer wieder auch Unternehmen zu befragen, wie diese mit den Anforderungen aus dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz umgehen und was getan wird, um digitale Barrierefreiheit im Unternehmen zu institutionalisieren. Und ein Unternehmen, das das schon seit längerer Zeit ganz erfolgreich betreibt, ist die Deutsche Telekom, die in der Community der digitalen Barrierefreiheit sehr stark verankert ist. Und mit dem Tochterunternehmen Telekom MMS bieten sie auch selbst eigene Dienstleistungen auf dem Gebiet an. Und deshalb haben wir heute Nina Gerling eingeladen von der Telekom, die im Unternehmen Barrierefreiheitsexpertin ist. Hallo Nina.

Nina Gerling

Hallo Dennis.

Dennis Bruder

Hallo, freut mich, dass du teilnimmst bei unserem Podcast. Nina, was macht man eigentlich als Barrierefreiheitsexpertin bei der Telekom?

Nina Gerling

Ich habe zwei Aufgaben primär. Ich berate innerhalb der Telekom und ich berate auch außerhalb. Das heißt, wenn Unternehmen oder Behörden unsere Leistungen in Anspruch nehmen. Soll ich es vertiefen?

Dennis Bruder

Vielleicht kommen wir dann später nochmal dazu. Wie bist du denn ganz persönlich zu dem Thema gekommen?

Nina Gerling

Meine Geschichte ist jetzt knapp 20 Jahre alt bei dem Thema und ich war damals ganz frisch selbstständig als Webdesignerin. Und da hatte jemand mir nahegebracht, dass meine Qualität nicht ausreichend sei, weil sie nicht barrierefrei ist. Die Person hatte absolut recht damit. Ich wusste das damals einfach gar nicht, dass das möglich ist, barrierefreie Webseiten zu bauen. Und so war ich dann auf das Thema gekommen und habe halt sehr schnell gemerkt, das ist ein großes Thema, das mir richtig gut gefällt, das auch meiner Weltanschauung entspricht. Und dann bin ich da ganz stark rein, ja, sehr tief eingestiegen, sehr schnell und mache das eben seitdem in unterschiedlichster Form.

Dennis Bruder

Also quasi eine Art persönlicher Ehrgeiz auch. Kommen wir mal zum Unternehmen Telekom und zu deiner Funktion als Barrierefreiheitsexpertin. Die Telekom ist ja schon seit vielen Jahren da eigentlich sehr stark vertreten, wie ich es schon in der Anmoderation angekündigt habe. Und warum ist denn überhaupt das Thema der Telekom so wichtig?

Nina Gerling

Also wenn man so ein bisschen beobachtet, wie die Telekom aufgestellt ist, ist es klar, dass da schon sehr lange diese ganzen Themen wie Inklusion und Breite, also dass Menschen in der breiten Basis mit all ihren Identitätsmerkmalen dazugehören, das ist schon sehr lange ein Thema und entsprechend war es recht naheliegend, dass die Telekom dann, ich glaube es war 2009, im Grunde schon das Kompetenzzentrum gegründet hat. Und anfangs eben das vor allem intern nutzte und dann wurde aber irgendwann klar aufgrund einfach der Anfragen, dass das auch nach extern wirklich ein großes Thema ist. Und die Telekom ist da ja sehr, sehr eindeutig bei der Positionierung. Also eben bei all diesen Themen, also auch Diversitätsthemen und dergleichen.

Dennis Bruder

2009 ist tatsächlich noch... Also in ein sehr frühes Stadium kann man sagen in der digitalen Barrierefreiheit. Das ist noch weit, weit vor allen Gesetzen, die in die Richtung vorangetrieben wurden. Also ja, schon schön, dass sich auch ein Unternehmen so früh darum gekümmert hat. Was sind denn so die Dienstleistungen, die jetzt die Telekom im Bereich der digitalen Barrierefreiheit ganz konkret anbietet?

Nina Gerling

Also ich muss der Fairness halber sagen, damit da jetzt kein Missverständnis aufkommt. Der Service zur Barrierefreiheit ist schon seit damals da. Nach innen wurde das Thema Barrierefreiheit auch dann schon sehr gelebt. Also beispielsweise, wenn jetzt Software intern für die Mitarbeitenden gestaltet wurde, da ist das Thema Barrierefreiheit dann schon immer früher beachtet worden und dann auch sehr konkret getestet worden. Jetzt die Geräte, die nach außen gingen, also zum Beispiel Router oder Telefon oder so, da war das Thema tatsächlich auch lange, das ist meine persönliche Sicht, zu lange nicht auf dem Schirm. Da war die Telekom im Grunde genauso eingestellt wie die meisten anderen Unternehmen, die mir bekannt sind. Also dass ich einfach nur der Fairness halber, dass ich das einmal erklärt habe. Da hat die Gesetzgebung schon ganz, ganz viel Umdenken bewirkt, was ich sehr positiv finde. Jetzt zu den eigentlichen Leistungen. Also das Kompetenzzentrum bietet die ganze Bandbreite an. Also man kann bei uns natürlich erst mal initial verschiedenste Schulungen zum Thema Barrierefreiheit haben, also für entwickelnde Leute, für Redaktionsteams, für Webdesign und so weiter. Und natürlich auch die Management-Ebenen. Das ist Und dann kann man Beratung buchen, also entwicklungsbegleitend oder auch bei der Prozessberatung. Und natürlich vor allem auch ganz groß das Feld mit dem Testing. Also das heißt, wir testen von der Webseite über Hardware, über Software, über PDFs, Apps, die ganze Bandbreite, Websites natürlich sowieso. Also das ist ein ganz großes Thema. Und dann auch noch Usability-Tests, auch Usability-Tests mit Menschen mit Behinderungen. Ich habe jetzt sicherlich irgendwas vergessen, aber die Bandbreite ist sehr groß.

Dennis Bruder

Ja, aber auch interessant ist, was du gesagt hast, dass das auch in einem Unternehmen, selbst wenn ein Unternehmen wie die Telekom schon so früh dran war, dass es in verschiedenen Abteilungen dann auch ganz anders gelebt wird und das ist auch was, was wir immer wieder feststellen, dass da verschiedene Teams arbeiten, verschiedene Leute mit verschiedenen Motivationen und das Verfahren auch manchmal einfach Zeit brauchen, bis die in einem ganzen Unternehmen ankommen. Du hast jetzt gerade von den Website-Tests oder überhaupt von den Testangeboten gesprochen. Und da gibt es ja inzwischen auch entwickelte Standards. Ich nehme an, am Anfang, wo die Telekom eingestiegen war, da waren die Standards noch nicht so fest, wie sie jetzt auch in den EU-Gesetzgebungen sind. Und es gibt ja auch verschiedene Testverfahren, die von verschiedenen Anbietern momentan so angeboten werden. Was ist denn da euer Standard, nachdem ihr Webseiten-Tests und Software-Tests testet? Habt ihr da verschiedene Abstufungen oder wie funktioniert das bei euch?

Nina Gerling

Also im Prinzip testen wir nach den Richtlinien, die einfach konkret benötigt werden. Das heißt, wir gucken uns an, wer beauftragt, in welchem Kontext. Und dann gelten ja unterschiedliche Richtlinien. Also es ist ja eine Frage, ob ich beispielsweise eine Behörde habe, die in NRW sitzt oder ob ich ein Unternehmen habe, das in Österreich oder Deutschland oder der Schweiz ist. Also alleine durch solche Hintergründe, wer beauftragt, also öffentlich oder privater Bereich, was wird beauftragt und von wo aus auch der Ort, also wo ist der Sitz des Anbieters, gibt es ja jeweils unterschiedliche, auch gesetzliche Vorgaben, die wir beachten müssen. Und wir testen im Prinzip beispielsweise bei einer Behörde meistens nach sowas wie der BITV oder der jeweiligen Länderverordnung. Bei Webseiten testen wir dann auch wieder abhängig davon, entweder zum Beispiel jetzt im öffentlichen Bereich, wenn wir jetzt einen Webshop testen, also nicht im öffentlichen, im Wirtschaftsbereich, wenn wir einen Webshop testen, dann würden wir jetzt natürlich gucken, aktuell aufgrund der neuen Gesetzgebung, dass wir sagen, wir testen auf Basis des BFSG, beziehungsweise dahinter steckt ja die europäische Norm, die EN 301549. Und die wiederum basiert ja auf der internationalen Web Content Accessibility Guideline. Das heißt, so eine große Aufgabe von uns ist im Prinzip immer am Anfang einmal zu beraten, was trifft denn auf euch denn jetzt überhaupt zu? Und das ist ja nur die Webseite. Wenn wir jetzt andere, schwierigere Fälle nehmen, wie beispielsweise bei Geräten oder Hardware, da wird es dann komplex und auch da müssen wir dann im Detail gucken, worauf testet man. Aber unser Prozess ist tatsächlich so flexibel, dass wir das sehr individuell anpassen können. Also, das entscheidet jetzt natürlich nicht unter Anführungszeichen Auftraggeber, sondern da geht es ja darum, einfach, ja, welche Gesetzgebung zutrifft, welche Richtlinie hier relevant ist und da beraten wir dann dazu. Und darauf testen wir dann, ganz konkret.

Dennis Bruder

Du hast vorhin auch von Usability-Tests gesprochen und das ist ja auch ein ganz interessantes Feld eigentlich. Die sind ja wahrscheinlich auch Tests, die sehr individuell sind und du hast gemeint, dass ihr dort auch Menschen mit Behinderung mit einbezieht. Wie macht ihr das denn?

Nina Gerling

Also es ist ja so, dass in der Telekom MMS gibt es ein akkreditiertes Prüflabor. das heißt, dem wir angeschlossen sind, das heißt, wir können wirklich entsprechend standardisiert Tests durchführen, Usability-Tests mit entsprechenden Fachpersonen. Und wenn jetzt Kundschaft zum Beispiel sagt, wir haben hier, naja, ich sage mal den Optimalfall. Also der Optimalfall ist, jemand kommt her und sagt, wir haben hier beispielsweise eine Webseite, die soll barrierefrei sein. Dann würden wir empfehlen meistens, dass wir sagen, lasst uns doch erst mal gucken, wie der aktuelle Stand ist. Das prüfen unsere BarrierefreiheitsexpertInnen, damit wir einfach mal da einen klaren Stand haben. Dann ergibt sich häufig daraus, dass wir das ganze Ding dann in der Entwicklung begleiten, weil einfach klar wird, da ist noch was zu tun. Schöner wäre es, wenn das von Anfang an schon barrierefrei mit bedacht wird, aber in der Realität wird das meist nicht so gehandhabt. Und wenn dann sozusagen die ganzen Kinderkrankheiten behoben wurden, sodass die Qualität aus unserer Sicht da jetzt wirklich entsprechend der Barrierefreiheit sehr gut ist, dann würden wir einen Usability-Test organisieren, also vorausgesetzt es wird beauftragt, wo wir dann passend zu dem jeweiligen Kontext Menschen mit Behinderung auswählen, mit denen wir dann zusammenarbeiten. die die Tests machen tatsächlich, also unter Aufsicht dann von Usability-ExpertInnen, die dann helfen, das Ganze auch auszuwerten. Und wichtig ist da eben der Kontext. Um ein Beispiel zu nennen, wenn ich jetzt eine interne Software habe, die teilweise vielleicht wirklich, also wo man wirklich ganz klar ausschließen kann, dass bestimmte Menschen mit bestimmten Behinderungen die überhaupt anwenden können. Solche Fälle gibt es. Also es gibt, ich sage immer, mit jeder Behinderung kann man alles machen im Idealfall, aber es gibt schon Fälle, wo man das real einfach sagen muss, okay, da geht es jetzt wirklich nicht. Es ist nicht ein Wollen, sondern es ist tatsächlich einfach faktisch nicht möglich. Dann würden wir dort natürlich keinen Test mit dieser Zielgruppe machen, weil es einfach nicht sinnvoll ist. Aber sonst versuchen wir sowas sehr breit aufzustellen und würden dann eben Menschen rekrutieren, die dazu passen, also die die entsprechenden Behinderungen haben und mit denen dann mit Usability-Experten zusammen eben den Test machen und das auswerten und dann halt auch entsprechend vorlegen, sodass im Prinzip mit dem ersten Part, also mit dem Barrierefreiheitstest durch die BarrierefreiheitsexpertInnen sichergestellt wurde. dass die eigentlichen großen Barrierefreiheitshürden alle behoben sind und mit dem Usability-Test dann sichergestellt wird, dass das Ganze jetzt auch für Menschen mit Behinderung wirklich Spaß macht, das Ding zu bedienen. Also nicht nur so. gerade so das Gesetz erfüllt, sondern im Idealfall dann auch wirklich gut nutzbar ist, also schön nutzbar ist das Ganze. Das wäre das Optimum. Leider kann man davon nicht immer alle überzeugen. Das ist ja wie so oft eine Budgetfrage, aber das wäre natürlich eine schöne Herangehensweise, die wir sehr empfehlen würden.

Dennis Bruder

Ja, klar. Ich glaube, du hast es vorhin schon erwähnt, dass ihr ja auch noch zusätzlich, also quasi so ein Art als drittes Angebot, Produkttests habt. Das ist richtig, oder?

Nina Gerling

Genau.

Dennis Bruder

Und da ist es ja so, also jetzt auch kleiner Ausblick schon auf die nächste Frage, die kommt mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz. Da sind ja auch Produkte mit eingedacht und bezogen und da gibt es jetzt ja also teilweise schon Standards, aber im Prinzip gibt es ja nicht so klare Standards wie jetzt bei Webseiten zum Beispiel oder bei Software. Wie geht denn die Telekom dieses Thema an oder wie kann man sowas generell angehen? Auch wenn man jetzt ein anderes Unternehmen ist in dem Bereich.

Nina Gerling

Also es ist tatsächlich bei Hardware komplizierter als bei einer Webseite. Denn bei einer Webseite gibt es einfach die bekannten berühmten Richtlinien, die man dazu nutzt und dann ist gut. Bei einer Hardware ist es sehr viel komplexer. Also in dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz und auch in der europäischen Norm sind schon Aspekte benannt. Das ist ein ganz Aber ganz viele Aspekte sind eben nur so oberflächlich angekratzt. Also da steht dann zum Beispiel im BFSG oder in der Verordnung so eine Formulierung drin, wie muss halt für zwei Sinne gut nutzbar sein oder verständlich sein oder was auch immer. Aber das ist dann nicht durchdefiniert an der Stelle. Und dann ist es unsere Aufgabe, passend zu dem jeweiligen Produkt, die entsprechenden Normen, die internationalen, rauszusuchen. Es gibt unglaublich viele Normen auf diesem Gebiet. Die haben auch ganz, ganz oft Barrierefreiheitsbschnitte drin und dann das sich einzeln zusammenzusammeln. Klingt schlimmer als es ist. Also wir haben dazu inzwischen eine sehr schöne Schulung entwickelt für Hardware-Teams, damit die da einfach einen Blick dafür entwickeln können, wie sowas funktioniert. Und innerhalb der Telekom zum Beispiel entwickeln wir jetzt gerade auch richtiggehend einen großen Hardware-Guide, der dann übergreifend auch für die Zukunft einfach dienen soll. Also die Teams dort haben Schulungen zu diesem Thema schon hinter sich und sind schon lange mit der Umsetzung jetzt beschäftigt. Aber ich sage es mal so, im guten Sinne, zum Glück geht die Barrierefreiheit ja nicht mehr weg. Das heißt, das ist ein dauerhaftes Thema ab jetzt. Und deswegen war es klar, dass da ein Guide, also eine Anleitung dafür entwickelt wird, die dann einfach für die Teams in den unterschiedlichsten Abteilungen die Produkte bauen, und zwar egal was für Produkte, dass die dann da einfach Anleitungen dazu haben, wie sie das machen, was sie alles bedenken müssen. Und auch da kann man natürlich dann im Nachgang, wenn man das braucht, Tests machen, um zu gucken, ob die Qualität der Umsetzung auch wirklich stimmt.

Dennis Bruder

Okay, also da entwickelt ihr auch eine ganze Menge selber. Seid ihr da eigentlich auch in irgendeiner Form beteiligt für, wenn ihr solche Sachen solche Guides entwickelt, die auch offen zu legen oder ist das dann tatsächlich quasi eine Dienstleistung, die ihr einfach anbietet?

Nina Gerling

Also… In vielen Bereichen arbeiten wir in verschiedenen Teams oder auch Normierungsumfeldern mit oder auch in verschiedenen Gremien. Das geht natürlich dann in die größere Breite. Jetzt speziell, was diese Anleitung angeht, das ist tatsächlich eine telekom-interne Anleitung. Wenn es jetzt um diese Schulung zum Beispiel geht, also die Hardware-Schulung oder den Hardware-Test, das ist etwas, das wir auch nach außen anbieten. Also jeder kann bei uns im Grunde ein Angebot stellen und kann darum bitten, dass wir da eine Schulung halten oder einen Test durchführen oder die Beratung natürlich durchführen. Also das ist alles auch für die Öffentlichkeit verfügbar, für Wirtschaftsunternehmen oder Behörden oder wer auch immer das halt benötigt. Aber diese spezielle Anleitung, die da momentan entwickelt wird, die ist wirklich explizit für die Telekom intern.

Dennis Bruder

Okay. Jetzt steht ja das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz schon in den Startlöchern, wie wir es jetzt auch schon eingangs mal gehört haben. Nächstes Jahr ist es soweit und das betrifft natürlich auch Teile der Telekom. Wie kann sich ein Unternehmen wie die Telekom überhaupt auf so etwas vorbereiten? Es betrifft ja viele Teile und man muss ja auch viele Mitarbeitende ins Boot holen. Habt ihr da irgendwie ein zentrales Verfahren oder wie geht ihr da vor?

Nina Gerling

Also da gehen Unternehmen sehr unterschiedlich vor. Das kann ich einfach deshalb sagen, weil sich die Beihilfe-ExpertInnen auf dem Markt untereinander austauschen. Also man führt Gespräche, wie macht ihr denn das, wie machen wir das. Im Grunde so ähnlich, wie wir jetzt hier diese Podcast-Folge machen. Und da hört man natürlich, wie andere das machen, das ist schon sehr wichtig. Also manche machen das zentral, das heißt, die haben diesen berühmten Chief Accessibility Officer als Position. Also jetzt keine Definition, welches Geschlecht oder welche Geschlechtsidentität diese Person hat. Das ist eine Management-Position und von dort aus wird alles geleitet. Bei der Telekom ist das zumindest aktuell nicht der Fall. Das heißt, es wird eher dezentral gehandhabt in den meisten Bereichen. Und da ist es dann tatsächlich so, dass die Bereiche eigenständig dafür Sorge tragen, dass sie klären, wer ist denn alles betroffen, welche Produkte, welche Dienste sind betroffen. Welche Abteilungen sind betroffen, wie ist da der Wissenstand, das muss dann erarbeitet werden. Also um ein Beispiel zu geben, wir haben in einer Abteilung, die haben wir bei dem Thema begleitet und haben dann relativ schnell gemerkt, oh, da gibt es sehr große Abstände beim Wissen, je nach Bereich und Abteilung. Und dann haben wir dort zum Beispiel eine Schulung gemacht, also mit allen Product OwnerInnen eine Selbsteinschätzung auf Basis des Reifegrads, also Reifegradmodell der Barrierefreiheit und haben dann im Prinzip da rausgefunden, wie der aktuelle Stand wirklich ist, also was wissen die darüber, wie ist ihr Know-how, haben die überhaupt schon eine Ahnung, was sie alles tun müssen und dadurch konnten wir dann Stück für Stück die Informationen erarbeiten, damit das auf höhere Management-Ebene dann hochgetragen wird, um natürlich beispielsweise auch wieder Ressourcen einfach freizugeben für das Thema, dass es bearbeitet werden kann. Aber es ist tatsächlich so, dass die Bereich in der Telekom aktuell primär die eigenständig verantwortlich sind. Es gibt übergeordnet ein Projekt, das nennt sich Design für Alle. Das ist ein ganz tolles Projekt, wo von oben herab auch, also da wird bei Erefreit weitergedacht. Da geht es nicht nur um Erefreit, sondern es geht auch um Inklusion und um weitere Felder, um das verständlicher zu machen. Der Alltag, den ein Mensch erlebt, der beispielsweise eine bestimmte Behinderung hat, kann ja sehr unterschiedlich sein, je nachdem, welches weiteres Identitätsmerkmal diese Person vielleicht noch hat. Also um ein Beispiel zu nehmen, jemand kann Autist sein und jemand kann Autist sein und auch beispielsweise eine Woman of Color. Und diese Person würde dann wahrscheinlich im realen Alltag ihres Lebens viele Dinge anders erleben, als eine weiße Person, die Autistin ist. Und das heißt, wir versuchen das nicht eindimensional zu denken, sondern wir versuchen diese Themen breiter zu denken. Und das ist jetzt sehr, sehr zusammengefasst. Und aus dieser Logik heraus wurde dann dieses Projekt Design für alle entwickelt, das auch tatsächlich von der obersten Ebene, also von der Vorstandsebene, auch dann wirklich gesagt wurde, das wollen wir perspektivisch. Also wir sind da auf dem Weg, da wurde schon viel gemacht. Die entsprechende Projektleitung hat da ganz viel angestoßen, viel wurde schon umgesetzt, aber da ist natürlich auch noch ganz viel zu tun. Also das ist, wie auch die Barrierefreiheit an sich, das ist ein Thema, das man als ein Dauerprojekt im Prinzip sieht, wo man immer sich weiterentwickelt und besser wird und versucht, immer mehr Menschen in Unternehmen einfach mitzunehmen, auszubilden auf dem Thema. Und... So Stück für Stück einen Wandel zu verursachen im positiven Sinne. Das ist natürlich bei so einem riesigen, riesigen Konzern wie der Telekom, das kann man nicht von heute auf morgen machen. Also das wäre aufgrund der schieren Menge an Mitarbeitenden ja völlig unrealistisch. Aber es ist ein Prozess und der ist am Laufen. Ich finde es auch toll, dass der am Laufen ist. Und natürlich hilft da so eine Gesetzgebung wie das BFSG ehrlich gesagt sehr, sehr stark, um das dann auch wirklich zu beschleunigen und den nötigen Druck dahinter zu machen.

Dennis Bruder

Das sieht man überall ja eigentlich in Unternehmen oder auch in öffentlichen Stellen, dass es natürlich einerseits auch diese Gesetzesinitiative braucht, um das ganze Thema voranzutreiben. Und ja, es gibt auch so... Unternehmen, die sich vielleicht auch schon vorher damit beschäftigt haben. Aber es ist auf jeden Fall interessant, dass ihr eure Mitarbeitenden da schon so intern auch so gut fortbildet und fortbilden könnt auch. Das ist ja auch wirklich eine Know-how-Frage. Und das ist halt oft auch das Entscheidende, dass man ja nicht nur vielleicht ein kleines Projektteam hat, sondern dass man einfach Möglichkeiten hat, sich bei dem Thema intern auch an Leute zu wenden, sich fortzubilden.

Nina Gerling

Wir haben da, ganz ehrlich, wir haben da natürlich einen großen Luxus damit, dass wir ein volles Kompetenzzentrum an der Stelle haben. Also ich war in vielen anderen Unternehmen und ich merke das schon, als ich jetzt in die Telekom gekommen bin, ich bin jetzt eineinhalb Jahre ungefähr dabei, da habe ich schon gemerkt, wow, das ist eine tolle Voraussetzung, um sowas zu schaffen. Also welches Unternehmen hat ein so großes Kompetenzzentrum in der Hinterhand? Das ist schon eine sehr, sehr tolle Voraussetzung dafür.

Dennis Bruder

Ja, die wenigsten, würde ich sagen, haben sowas. Aber das kriegen wir auch gerade in den Anfragen immer wieder mit von Unternehmen, dass der Stand einfach sehr, sehr unterschiedlich ist. Und manche können sich da schon intern fortbilden, aber viele benötigen eben auch so diese externen Fortbildungen, die wir zum Beispiel bieten, aber die ja auch die Bundesfachstelle Barrierefreiheit bietet. Genau. Andere Stellen auch. Ja, dann sind wir eigentlich auch schon mehr oder weniger am Ende. Jetzt habe ich noch eine Abschlussfrage, die auch so indirekt mit dem BFSG einhergeht, nämlich viele Unternehmen sind da so ein bisschen auf der Suche gerade und was würdest du denn so anderen Unternehmen als Tipp mitgeben, wenn sie digitale Barrierefreiheit im Unternehmen verankern wollen?

Nina Gerling

Oh, ähm... Vor allem vorneweg, erst einmal, bitte fangt damit nicht erst immer im Nachgang an. Also zumindest wenn neue Projekte angefangen werden, dann bitte, bitte das von Anfang an mitdenken. Es wird umwelten teurer, wenn man bei RFID erst im Nachgang versucht, wieder ranzuklöppeln sozusagen, als wenn das konsequent als einfach auch Qualitätsmerkmal von Anfang an mitgedacht wird. Also da gibt es ganz klare Statistiken dazu. Und dann finde ich es sehr, sehr wichtig, dass es wirklich eine Entscheidung ist, die von oben getragen wird. Also wenn... Wenn von zum Beispiel einer Geschäftsführung aus eine ganz klare Aussage kommt, ja, wir sehen das Thema als wichtig an, wir priorisieren dieses Thema, wir geben die entsprechenden Ressourcen frei, dann wird das ganz anders wahrgenommen. Denn im Alltag von Projekten und Projektumsetzungen, das weiß jeder, gibt es tausend Anforderungen und wenn die nicht priorisiert werden, dann wird sowas wie bei RFH halt hinten immer wieder runterfallen. Wenn aber das eine klare Aussage von der Geschäftsleitung da ist oder von der Behördenleitung. Das ist wichtig. Wir nehmen das ernst. Wir sehen das als Qualitätsmerkmal. Und tatsächlich ist es auch wirtschaftlich relevant. Und natürlich vor allem ist es aber ein soziales Thema. Also im Sinne von, wir reden hier nicht drüber nach dem Motto, wir sind jetzt nett und setzen hier was um, sondern es ist einfach ein Menschenrecht, über das wir hier sprechen. Dann kann man hier schon ganz viel erreichen. Und dann ist es natürlich ein ganz großer Punkt, dass ich sage, bitte wirklich die Leute auf breiterer Basis schulen und ausbilden. Also damit kann man viel Wissen Stück für Stück in die eigenen reinholen, damit einfach das dann ein Standard wird im eigenen Unternehmen oder in der eigenen Behörde. Also das fände ich persönlich wichtig und vor allem natürlich auch einfach immer wieder wirklich darüber nachdenken, dass... Menschen mit Behinderung von Anfang an und auch durchgängig wirklich eingebunden werden in diesen ganzen Prozess. Also ich finde es ehrlich gesagt ziemlich schlimm, manchmal zu sehen, dass Barrierefreiheit manchmal vermeintlich umgesetzt wird, aber wenn man mal wirklich darauf achtet, im gesamten Prozess niemand beteiligt war, der eine Behinderung hat. Das finde ich fatal. Deswegen finde ich das sehr gut, wenn da von Anfang an schon bei den ersten Entwicklungen, aber auch begleiten und bei den ganzen Entscheidungen und vor allem natürlich dann auch bei der Fortentwicklung immer wieder Menschen mit verschiedenen Behinderungen eingebunden sind, aktiv mitwirken können, dann werden schlicht und einfach auch Fehlentwicklungen vermieden. Also das ist ja, das würde ich ganz, ganz, ganz, ganz doll unterstreichen, wie es aussah.

Dennis Bruder

Ja, das… Einbeziehen von Menschen mit Behinderung, das hat natürlich dann auf vielen Ebenen Vorteile, aus meiner Sicht auch, weil die natürlich im Unternehmen sind und sozusagen Experten für sich selber sind. Und dann aber zum Zweiten natürlich auch der... von Grund auf quasi eine Sensibilität auch im Unternehmen dann irgendwie eher da ist, weil diese Menschen ja da sind und weil man das ja für diese Menschen tut und nicht für irgendwen, den man vielleicht gar nicht kennt oder vielleicht die Person, die man auch gar nicht fragen kann. Also deswegen glaube ich auch, dass das auf vielen Ebenen einfach Vorteile hat.

Nina Gerling

Vor allem ist meine Erfahrung, dass immer wieder Fehlereinschätzung kommt nach Motto, das betrifft uns ja gar nicht. Also wir haben nicht die Zielgruppe. Und ich sage immer, Leute, die aktuellste Eurostat, also von der EU die aktuelle Umfrage besagt ganz klar und auch wiederkehrend in den letzten Jahren, dass sich knapp eine von vier Personen, die erwachsen ist in der EU, als eine Person mit einer Behinderung inzwischen definiert. Das ist eine richtig heftige Aussage. Die weicht natürlich von diesen offiziellen Statistiken an anderen Stellen ab, was damit zu tun hat, dass dort nur die erfasst werden, die irgendwie zum Beispiel einen Behindertenausweis haben. Aber die Eurostat-Umfrage ist da sehr klar und spiegelt auch das wider, was zum Beispiel auch eine andere aktuelle Statistik aus den USA auch gerade sagt. Das heißt, wir haben hier eine riesen Zielgruppe und wenn man bedenkt, dass die Dass die meisten Behinderungen ja gar nicht sichtbar sind, heißt es, dass ich ohne Übertreibung sagen kann, dass natürlich in den meisten Unternehmen und Behörden schon längst jede Menge Menschen mit Behinderungen arbeiten, von denen wahrscheinlich die vorgesetzten Schlichten einfach nicht wissen. Und warum wissen sie es nicht? Naja, Vorurteile und weil Menschen sich natürlich nicht trauen, sich sozusagen zu outen, weil sie natürlich Nachteile befürchten. Aber die Zielgruppe ist ganz klar da. Und die ist riesengroß.

Dennis Bruder

Das ist ja auch das Henne-Ei-Prinzip manchmal, dass Unternehmen sagen, wieso sollen wir das denn jetzt machen? Wir haben ja entweder gar keine Kunden oder gar keine Mitarbeiter, die eine Behinderung haben. Warum brauche ich dann eine Software, die das Ganze mit abdeckt? Aber dann kann man ja umgekehrt fragen, warum arbeiten denn die Leute nicht da, weil es ja gar nicht möglich ist, theoretisch. Und ja, deswegen macht es auf jeden Fall Sinn, ja, aus Inklusionsgedanken allein sich damit zu beschäftigen. Das war auf jeden Fall ein schöner Abschluss, auch mit den vielen schönen Tipps für Unternehmen, was man alles tun kann und wie man auch überhaupt dieses ganze Thema denken kann. Und ja, dann bedanke ich mich erstmal, Nina, bei dir.

Nina Gerling

Sehr gerne, danke.

Dennis Bruder (Outro mit Musikuntermalung)

Das war es dann auch wieder mit dieser Folge von Barrierelos, dem Podcast zur digitalen Barrierefreiheit. Wenn Ihnen die Folge gefallen hat, würden wir uns sehr über ein Like, einen Kommentar oder noch besser darüber freuen, dass Sie unserem Kanal folgen. Zum Abschluss der Folge will ich noch darauf hinweisen, dass wir auf unserer Webseite der Beratungsstelle Barrierefreiheit zu vielen Themen der digitalen Barrierefreiheit informieren. Gehen Sie einfach auf www.beratungsstelle-barrierefreiheit.de und finden Sie im Bereich digitale Barrierefreiheit grundlegende Informationen zum Thema, aktuelle Beiträge und Hinweise auf Veranstaltungen. Wenn Sie selbst nichts verpassen wollen, abonnieren Sie einfach unsere Newsletter oder Podcasts. Auch das finden Sie in den Show Notes. Dann bis zur nächsten Folge von Barrierelos.

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